Noam Chomsky erhält den Carl-von-Ossietzky-Preis 2004

Artikel vom 6. Mai 2004 [nicht aktualisiert!]

William Shakespeare - Karl Marx - Die Bibel - Noam Chomsky

Noam Chomsky, Linguistikprofessor am Massachussetts Institut of Technology (MIT), Cambridge/USA, und Kultfigur auf US-amerikanischem Universitätsgelände, ist "Hausautor" beim traditionsreichen Europa Verlag des Vito von Eichborn, wo einige der Werke des "politischen Analytikers und Medienkritikers von Weltruf", als den ihn die Stadt Oldenburg in einer Pressemitteilung bezeichnet, (1) erscheinen. In dem 1933 in Zürich gegründeten Verlag publizieren seinerzeit Arthur Koeppen und Manès Sperber, dort gibt Thomas Mann die Zeitschrift "Maß und Wert" heraus. Inzwischen sind dort Autoren wie Ulrich Wickert, Peter O. Chotjewitz, Samuel Huntington und Noam Chomsky angesagt. Sic transit gloria mundi. (2)

Eines der letzten polemischen Bücher des Noam Chomsky, im Dezember 2003 deutsch im Europa Verlag erschienen, ist betitelt: "Hybris. Die endgültige Sicherung der globalen Vormachtstellung der USA", ein etwas verwegener Titel, wenn man die militärischen Entwicklungen im Irak betrachtet. Apropos Militär: Noam Chomskys linguistische Arbeiten werden jahrelang finanziell unterstützt durch die U.S. Armee, von den Büros für wissenschaftliche Forschung der U.S. Luftwaffe und der U.S. Marine. Das Buch "Hybris" wird sehr positiv besprochen von Dr. Gerhard Frey, in der "Nationalzeitung". Noam Chomsky lege dar, daß die Politik Israels dazu geführt habe, daß die Terrorgruppen Zulauf bekämen. Der Rezensent schätzt besonders die schlichten Worte, mit denen es Noam Chomsky gelinge, die Weltlage überzeugend zu beschreiben: "Israels Verbrechen als Normalfall", z.B. die "systematische Tötung unliebsamer (sic!) Personen". Noam Chomsky meint dazu: "Liquidierung ist nur dann ein Verbrechen, wenn es von den falschen Leuten verübt wird, andernfalls aber ein gerechtfertigter, wenngleich bedauerlicher Akt der Selbstverteidigung." (3)

Im April 2004 ist von Noam Chomsky beim Europa Verlag "Eine Anatomie der Macht", "eine große Zusammenstellung unveröffentlichter Basistexte" erschienen, wie bei Amazon verkaufsfördernd berichtet wird. " ´Die Anatomie der Macht´ versammelt erstmalig die wichtigsten dieser Reden der letzten zehn Jahre, die ihrer besonders leicht verständlichen dialogischen Form wegen die beste Einführung in die Gedanken Noam Chomskys bieten und eine unverzichtbare Ergänzung zu seinen übrigen, ´akademischeren´ Büchern darstellen." Eine Art Chomsky für jedermann also.

Der Europa Verlag in Zusammenarbeit mit ATTAC Deutschland widmet Noam Chomsky eine eigene Web Site, auf der auch ein Noam-Chomsky-Diskussionsforum eingerichtet ist. Er sei "immer wieder Nummer Eins auf dem Sachbuch-Markt. Was immer er in seinem manchmal etwas apodiktisch oder gar dogmatisch wirkenden Stil veröffentlicht, erregt die Gemüter seiner Feinde und Freunde", schreibt Forumsmoderator Wolfgang Spindler. Einige der Feinde scheinen so erregt zu sein, daß Noam Chomsky unter Personenschutz leben muß. (4)

Noam Chomsky hat auch in Europa Kultstatus. Er ist ein bei Linksradikalen und sonstigen Friedens-, Araber-, Palästinenserfreunden und ATTAC-Aktivisten beliebter brillianter Redner, der jede Kritik an seinen Ausführungen mit ruhigen Worten sanft in Grund und Boden versenkt. Er verkündet scheinbar leidenschaftslos nichts als die Wahrheit. Seinem von den politischen und militärischen Irrungen und Wirrungen der Welt und vor allem der USA verunsicherten Publikum offeriert er einfache, klare und scheinbar theorie- und ideologiefreie Antworten auf ihre Fragen. Er bedient die Bedürfnisse seiner Klientel mit immer neuen Buchpublikationen, wovon es inzwischen mehr als 70 gibt.

Überzeugt ist beispielsweise auch die New York Times, die von dem von ihr als "wohl wichtigsten lebenden Intellektuellen" bezeichneten Noam Chomsky am 23. Februar einen Artikel über den Sicherheitszaun in Israel veröffentlicht. Er lehnt die Mauer und ihren Verlauf als ungesetzlich ab, wobei er die Vereinten Nationen, den britischen Außenminister Jack Straw, die israelische Journalistin Amira Hass und den israelischen Soziologen Baruch Kimmerling als Zeugen benennt. Noam Chomsky geht zu Anfang in eineinhalb Zeilen auf die Gründe für den Bau des Sicherheitszaunes ein, um dann eineinhalb Seiten des Artikels desto ausführlicher der Anklage Israels zu widmen. (5)

Noam Chomsky vertritt weltweit das gesunde Volksempfinden eines breiten politischen Spektrums. Das führt dazu, daß auch der italienische rechtsextreme Verlag Barbarossa ihn neben den französischen Holocaust-Leugnern Bernard Notin und Roger Garaudy und dem Wegbereiter des italienischen Faschismus Julius Evola publiziert. Noam Chomsky unterstützt aktiv die französischen Holocaust-Leugner Robert Faurisson und Serge Thion. Er sieht nichts Schlechtes darin, sondern er empfindet die Verurteilung des Robert Faurisson durch französische Gerichte als ein Zeichen von Totalitarismus. Der Staat habe nicht zu beurteilen, was historische Wahrheit sei. Als sich seine Unterstützung zum Skandal ausweitet, erklärt er, den Fall nicht im einzelnen zu kennen. Allerdings fliegen Robert Faurisson und Serge Thion, finanziert von Louis Pauwels, von der französischen Tageszeitung "Le Figaro", zu Noam Chomsky, um sich dessen Unterstützung schriftlich abzuholen. (6)

Das Mord-Regime der Roten Khmer verteidigt er jahrelang. Die Evakuierung von Phnom Penh und die dabei verübten Morde beschönigt er als Begleitumstände der sozialistischen Revolution. Menschen, die die Weltöffentlichkeit über das Verbrecherregime informieren, zeiht er der Lüge. Autoren von Büchern, die Schilderungen der Verbrechen der Roten Khmer bringen, bezichtigt er, die Bücher seien nicht mehr als antikommunistische Propaganda. Er behauptet später, die Zahl der dokumentierten Massenmorde der Roten Khmer an der Bevölkerung sei von den Vietnamesen nach deren Eroberung des Landes gefälscht worden. (7)

Noam Chomsky bietet für jeden etwas

Wen verwundert es da, daß Noam Chomsky als nächster Vorzeige-Jude in diesem Jahr, nach Uri Avnery, den alle zwei Jahre vergebenen Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg erhält? Die Jury erkennt ihm den mit 10 000 Euro dotierten Preis "für seine kritischen Analysen der Weltordnung unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Medien" einstimmig zu, und der Preisträger wird ihn am 23. Mai 2004 persönlich entgegennehmen. Welch eine Ehre für die Stadt, wenn man bedenkt, daß Noam Chomsky das Fest zum 50. Jahrestag des "Diplo", in Paris, am 8. Mai 2004, nur mittels eines Videos beehren wird.

Der Preis wird "für Arbeiten, Gesamtwerke oder Personen (sic!) vergeben, die sich in herausragender Weise mit Leben und Werk Ossietzkys, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der demokratischen Tradition und Gegenwart in Deutschland oder die sich im Geiste Ossietzkys mit Themen der Politik und Zeitgeschichte befassen." (8)

Für Noam Chomsky gilt wohl der letzte Teil der Preisgründe: "sich im Geiste Ossietzkys mit Themen der Politik und Zeitgeschichte (zu) befassen". Das tut er schon seit den 60er Jahren, da der heute 75-jährige Wissenschaftler zum Wortführer der politischen Linken der USA wird. Die Preisverleiher sehen in ihm eine Persönlichkeit, die "kenntnisreich die US-Außenpolitik und die weltpolitischen Entwicklungen" analysiert. Er beziehe Stellung gegen die Globalisierung, die nicht der Demokratisierung der Gesellschaft, sondern den Profitinteressen von Investoren diene. Geehrt wird er für seine "wissenschaftliche" Erklärung der Attentate vom 11. September 2001 und für seine Beschreibungen "von ökonomischer Ausbeutung sowie wirtschaftlicher, sozialer und politischer Macht einerseits und den manipulativen Methoden der Medien andererseits, die eine kritische Instanz vermissen lassen."

Noam Chomsky ist derjenige amerikanische Intellektuelle, der sofort und am deutlichsten dafür eintritt, die terroristischen Anschläge auf New York und Washington mit den Versäumnissen der US-Politik zu erklären. Die Höhe der Opferzahl sei gering, gemessen an den Opfern eines viel größeren Terrorismus der US-Außenpolitik in der Dritten Welt. Er gilt neben Susan Sontag, die im "New Yorker" schreibt, die Terroristen seien Feiglinge, als der andere US-amerikanische Intellektuelle, der nach dem 11. September genau das Unpassende äußert. Für solche "wissenschaftlichen" Einschätzungen ehren ihn die Preisverleiher.

Eine angemessene Fortsetzung der Preisverleihung an diesen "Einstein" (der möge darob nicht in seinem Grabe rotieren!), wie ihn der Chefredakteur des "New Yorker" bezeichnet, soll am Tag danach stattfinden, da die Stadt Oldenburg in Kooperation mit der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg eine öffentliche Podiumsdiskussion mit dem Preisträger zum Thema "Markt und Medien - Demokratie und soziale Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung" veranstalten wird. (1)

Wer sich über Noam Chomsky informieren will, findet im Internet reichlich Material

Der britische "Guardian" veröffentlicht zur Amtsübernahme des George W. Bush, am 20. Januar 2001, ein Profil des "Noam Chomsky: Gewissen einer Nation". Dort wird die Kultfigur, der "Dissident Nr. 1", von der Kindheit bis dato angemessen gewürdigt. Er sei der neben William Shakespeare, Karl Marx und der Bibel meistgenannte Autor unter den zehn am häufigsten zitierten Quellen überhaupt. Und er lebe als einziger noch, er, der Außenseiter, der lebenslange linke Anarchist oder "libertäre Sozialist", was immer man sich darunter vorzustellen hat. Gegen den Staat Israel und für einen bi-nationalen Staat ist er von Anfang an, vage zionistische Anfänge und ein Kurzaufenthalt in einem Kibbuz sind schnell vergessen. (9)

Eine ausführliche Dokumentation über Noam Chomsky veröffentlicht "The New Yorker", am 31. März 2003: "The Devil´s Accountant", und "die tageszeitung" (taz) titelt entsprechend zu dessen 75. Geburtstag, am 7. Dezember 2003: "Teufels Buchhalter". Dort wird er als "kauziger Anarcholibertärer" verniedlicht, als "ein netter und schräger Professor, der sagt, was er sich eben so denkt". Diese Bezeichnungen passen nicht zum Inhalt des Textes; denn einen als "nett und schräg" zu bezeichnen, der "radikale Kritik an der Hegemonialpolitik Amerikas", an dem "Schurkenstaat" übt und "beißende Anklage gegen Marktlogik, Imperialismus und was sonst noch böse ist in der Welt", der mag zwar schräg sein - aber nett? (10)

Der Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik

Die Web Site der Stadt Oldenburg informiert über den Preis, der seit 1981 ausgelobt, in dem Jahr aber des ungenügenden Niveaus der zehn eingereichten Arbeiten wegen niemandem zugesprochen wird. Sieht man sich die Mitglieder der Jury an, so kann man schon daran die sehr hohen Ansprüche ablesen. Eine Liste aller Preisträger sowie die Mitglieder der jeweiligen Jury finden sich auf der Web Site. (11)

Unter dem Titel "Vergaberichtlinien" wird aus dem Leben des Carl von Ossietzky (3. Oktober 1889 - 4. Mai 1938), "dem leidenschaftlichen, konsequenten Pazifisten und überzeugten Anhänger der Republik und Demokratie" berichtet. Er tritt zeit seines Lebens entschieden für den Frieden ein. Nach dem Reichstagsbrand, vom 27. Februar 1933, wird Carl von Ossietzky verhaftet und in den Konzentrationslagern Sonnenburg und Esterwegen, in der Nähe von Oldenburg, schwer mißhandelt. Zahlreiche internationale Politiker, Künstler und Intellektuelle betreiben seine Nominierung für den Friedensnobelpreis. Er wird, um das Ansehen des NS-Staates im Ausland nicht durch die Inhaftierung eines Anwärters auf den Friedensnobelpreis zu trüben, am 28. Mai 1936 auf Anweisung von Adolf Hitler in das Staatskrankenhaus von Berlin verlegt, und am 7. November 1936 wird der Todkranke aus der Haft entlassen, weil von der deutschen Reichsregierung nicht mehr verhindert werden kann, daß Carl von Ossietzky im Dezember 1936 den Friedensnobelpreis erhält.

Am 4. Mai 1938 stirbt er in Berlin an den Folgen der schweren körperlichen und seelischen Leiden durch die im KZ Esterwegen erlittenen Folterungen. (12)

Die Stadt Oldenburg will mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis die inhaltliche Auseinandersetzung mit Werk und Leben Carl von Ossietzkys fördern und über Oldenburg hinaustragen.

Auf Grund der Erfahrungen mit den "Auslobungsbedingungen" des Preises wird auf Vorschlag der Jury und Verwaltung im Juni 1994 beschlossen, das Preisthema weiterzufassen und "auch alle Werke mit einzubeziehen, die sich im Sinne Ossietzkys mit Themen der Politik und Zeitgeschichte befassen. Ebenso wurde das entsprechende Gesamtwerk eines Autors oder einer Autorin sowie eine herausragende verlegerische Leistung in die Ausschreibungsbedingungen aufgenommen."

Seit dem Jahr 2000 ist der Carl-von-Ossietzky-Preis ein reiner Vergabepreis, mit dem die Stadt Oldenburg "über ein geschärftes kulturpolitisches Instrument (verfügt), um das Erinnern an Leben und Werk Carl von Ossietzkys wachzuhalten und die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragestellungen im Sinne Ossietzkys voranzutreiben. Sie will damit nicht nur ein Zeichen setzen, sondern dies auch als Auftrag für aktuelles Handeln sehen."

Dieser Tatsache verdanken wir die Preisträger Uri Avnery und Noam Chomsky. (13)

Seit 1988 vergibt die Stadt Oldenburg Kompositionsaufträge anlässlich der Verleihung des Carl-von-Osssietzky-Preises. Für die Preisverleihung, am 23. Mai 2004, komponiert Manfred Klinkebiel (alias "JOPAPA") das Stück "CHOMSKY - Prelude and Variations" für Flügel und Cembalo. (14)

Carl von Ossietzky und die Laudatio von Eckart Spoo für Uri Avnery

Im Jahre 2002 erhält Uri Avnery den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg. Die Laudatio hält, am 64. Todestag von Carl von Ossietzky, der Journalist und Herausgeber der in Berlin erscheinenden Zeitschrift "Ossietzky" Eckart Spoo. Er sagt über den Pazifisten Carl von Ossietzky und zitiert ihn dabei:

"1921 - da war Uri Averny noch nicht geboren - befaßte sich Carl von Ossietzky mit Nachrichten über die Aufstellung militärischer Verbände von Juden in Palästina. Diese Nachrichten machten auf ihn ´keinen erfreulichen Eindruck´, denn, so schrieb er damals, ´in den Juden verehrte ich das einzige unkriegerische Volk der sogenannten zivilisierten Welt, das Volk ohne Feldwebel. (...) Spinoza hat philosophiert und, da er davon nicht leben konnte, Brillengläser geschliffen. Jehuda ben Halevi und Heinrich Heine haben Verse gemacht und Rothschilds Geld gescheffelt. Aber Ahasver im Stechschritt ist eine blanke Unmöglichkeit.´ Damit formulierte der Pazifist Ossietzky, der stets gegen den Antisemitismus wie gegen den Militarismus gestritten und viele Autoren jüdischer Herkunft als Anreger und Mitstreiter gefunden hatte, eine generelle Sympathie, ein positives Vorurteil, das sich wie jede generalisierende Feststellung über Menschen gleicher Herkunft - über die Polen, die Deutschen, die Briten, die Araber - nicht aufrecht erhalten ließ. Ossietzky fuhr in seinem Artikel fort: ´So holt Israel eifrig nach, was es seit der Evakuierung durch Titus versäumt hat: es stellt die geistigen Waffen ins Zierschränkchen und schafft sich eine schimmernde Wehr an. Diesen zeitgemäßen Fortschritt werden zunächst die armen Araberhorden zu spüren bekommen, die auf kargem Boden im Innern des Landes hausen..., ohne die geringste Ahnung vom historischen Recht, dessen tiefere Bedeutung ihnen nunmehr bald mit dem Maschinengewehr erschlossen wird...´ "

Nun wäre ein Blick auf die Zustände im Palästina des Jahres 1921 angebracht. Wenn schon Carl von Ossietzky diesen Blick nicht wirft, so sollte man ihn vom Festredner erwarten. Der aber hat dazu nichts zu sagen.

  • Warum schaffen sich die Juden "eine schimmernde Wehr an"?
  • Stellen sie tatsächlich "die geistigen Waffen ins Zierschränkchen"?
  • Wer sind "die armen Araberhorden, die auf kargem Boden im Innern des Landes hausen"?
  • Wieso wird ihnen welches "historische Recht ... mit dem Maschinengewehr erschlossen"?

Im März 1920 finden, angeführt vom fanatischen anti-zionistischen Glaubenseiferer und palästinensisch-arabischen Nationalisten Haj Amin al Husseini, dem späteren Großmufti von Jerusalem, und mit Billigung der Briten, im Mandatsgebiet Palästina Pogrome gegen die Juden statt, die ermordet werden. Ihre Häuser werden geplündert. Der Haji wird darauf von den Briten zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, kann aber bald nach Syrien flüchten. Er kehrt nach Jerusalem zurück und wird dort von den Briten gegen den Willen des Muslimischen Rates zum Großmufti auf Lebenszeit eingesetzt. Solche gelenkten Aufstände wie der von 1920 gegen die Juden werden von den Briten mit Hilfe des Großmuftis erneut im April 1921 und danach organisiert. Da bleibt "dem einzigen unkriegerischen Volk der sogenannten zivilisierten Welt, dem Volk ohne Feldwebel" leider nichts anderes übrig, als sich zu schützen und zu bewaffnen. 1920 wird die Haganah gegründet, die Untergrundverteidigungskraft des Jischuw vor der Staatsgründung. (15)

Mit "Ahasver im Stechschritt" greift Carl von Ossietzky unkritisch den ab dem 17. Jahrhundert blühenden Mythos vom "Ewigen Juden" auf, der seiner Ablehnung des christlichen Erlösers wegen ruhelos auf Erden umher wandert. Er macht sich diesen Mythos zu eigen. Ahasveros (hebräisch Achaschwerosch) ist in Wirklichkeit der Name des Perserkönigs Xerxes I (486-465 v.d.Z.), der die Jüdin Esther zur Frau nimmt. Die Rettung des jüdischen Volkes durch die Königin Esther wird jedes Jahr im Purimfest gefeiert.

Auch dazu sagt der Festredner nichts, sondern er übernimmt den "Ahasver im Stechschritt" einfach so von Carl von Ossietzky.

"Im Jahre 1929 - da lebte der unter dem deutschen Namen Helmut Ostermann geborene spätere Uri Avnery in Hannover und wurde sechs Jahre alt - befaßte sich in Berlin in der ´Weltbühne´ Carl von Ossietzky ein zweites Mal, ausführlicher, mit Palästina, wo inzwischen immer mehr Blut um Land vergossen wurde," fährt Eckart Spoo fort. Er habe die "Schwierigkeiten zwischen Juden und Arabern in Palästina" vor allem als Folge britischer Kolonialpolitik gesehen. Carl von Ossietzky schätzt die Lage treffend ein, nur sagt Eckart Spoo nicht, daß die Briten die Araber aufstacheln gegen die Juden, nicht, daß der Großmufti nicht nur Juden, sondern auch Araber umbringen läßt, die mit ihnen zusammenleben und -arbeiten wollen. Er beläßt es bei "Schwierigkeiten zwischen Juden und Arabern in Palästina", wo "immer mehr Blut um Land vegossen wurde". Wer wessen Blut vergißt, kommt nicht vor in der Rede, auch gibt es für Eckart Spoo offensichtlich keine Schwierigkeiten zwischen Arabern und Juden, sondern die Probleme gehen, wie er es formuliert, allein von den Juden aus.

Dann kommt der Festredner von der "britischen Weltmacht" unmittelbar auf die Gegenwart und die "weit über den Jordan hinaus auf Bagdad" gerichteten Interessen der USA und selbstverständlich auf die Lebensgeschichte des Uri Avnery.

Unterwegs läßt Eckart Spoo nichts aus. Uri Avnerys Eintreten für einen palästinensischen Staat ergänzt er nicht durch den Hinweis, daß die Araber diesen 1948 nicht wollen und stattdessen unter britischer Führung Israel überfallen. Er unterstellt, daß "offenbar unter Regie des israelischen Generals Ariel Scharon Falangisten in den Beiruter Vororten Sabra und Schatila viele hunderte palästinensische Flüchtlinge ermordeten", kommt damit sofort auf Dschenin und spult die übliche Geschichtssicht der deutschen israelfeindlichen Linken weiter ab. Terroristen von Hamas, Fatah und Palästinensischem Islamischen Djihad werden zu Freiheitskämpfern, und es wird beklagt, daß die USA nicht auf ein Gesprächsangebot des afghanischen Mullahs Omar eingegangen seien. Der Jugoslawienkrieg wird erwähnt, kurz, der Redner packt alles in seine Laudatio, was er immer schon vor einem großen Publikum loswerden wollte.

Illusorische Vorstellungen über die Intentionen der Palästinenser und des Jasser Arafat kommen hinzu. Die jeweils andere Seite müsse zu Wort kommen, also Jasser Arafat in Israel. Der Redner hat offensichtlich noch nie davon gehört und gelesen, daß es den "Freiheitskämpfern" gerade nicht um derartige Gespräche geht, sondern daß in ihrer Verfassung festgeschrieben ist, daß solche zu unterbleiben haben. Der Redner ist für "Austausch von Informationen und Meinungen".

Vollmundig erklärt Eckart Spoo: "Meine Damen und Herren, die Wahrheit über den Krieg, über jeden Krieg muß verbreitet werden, auch und gerade die Wahrheit über das, was die Armee des eigenen Staates oder die Streitkräfte befreundeter Staaten anrichten. Greuelgeschichten über die Gegenseite sind wohlfeil." Man könnte fast annehmen, daß er im Besitz dieser Wahrheit ist.

Er fährt fort: "Die bundesdeutsche Politik hat mit großen Summen dazu beigetragen, die israelische Armee aufzurüsten; sie hat - schon in Zeiten der engen Zusammenarbeit von Schimon Peres und Franz Josef Strauß - auch zu dem Programm beigetragen, das Israel zur Atommacht gemacht hat. Solche Hilfe für Israel galt lange Zeit als die deutsche Wiedergutmachung, während zum Beispiel die vielen Millionen ehemaliger Zwangsarbeiter und andere Opfer ohne sogenannte Entschädigung blieben. Deutsche Waffen wurden bis in die letzte Zeit hinein nach Israel geliefert. Jetzt sollte alles geschehen, den Israelis und den Palästinensern eine politische Lösung zu erleichtern."

Mit keinem Wort werden die Hunderte von Millionen Euro erwähnt, die jährlich von der EU teilweise völlig unkontrolliert an die Palästinensische Autonomiebehörde gegeben werden. Allein im Jahr 2001 sind es 250 Millionen Euro. (16)

Eckart Spoo spricht nur von der "deutschen Wiedergutmachung" an Israel. Er rechnet allein Fehlverhalten oder von ihm dazu erklärtes Verhalten Israels vor. Er spricht von den auf deutsch vorliegenden Büchern des Uri Avnery und erwähnt dabei ohne jeden weiteren Kommentar: "Der Titel eines anderen (Buches) lautet provozierend: ´Mein Freund, der Feind´. Übrigens sind bisher nicht alle seine Bücher auf Deutsch erschienen, darunter ausgerechnet auch sein Buch ´Swastika´, in dem er die Frage behandelt, wie es im hochentwickelten Deutschland zum barbarischsten Regime hat kommen können." (17)

Weder der Autor Uri Avnery noch der Festredner Eckart Spoo hinterfragen, warum ausgerechnet das Buch "Swastika" nicht auf deutsch erscheint. Hätte es noch eines Beweises bedurft, daß Uri Avnery der Vorzeige-Jude ist, der nur das in deutschen Medien verbreiten darf, was man als Deutscher des Antisemitismusvorwurfs wegen nicht mit gleicher Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit gegen Israel sagen kann, das Nichterscheinen dieses unliebsamen Buches hätte den Beweis erbracht.

Nun sind wir wieder beim nächsten Preisträger, dem Professor für Linguistik Noam Chomsky angelangt. Auch er hat eine ähnliche Rolle, wie sie Uri Avnery spielt. Noam Chomsky ist dabei noch ein größeres Kaliber, denn er dient dazu, sowohl Israel als auch die USA vorzuführen. Man darf gespannt sein auf den Festredner Michael Schiffmann und seine Laudatio. Weite Teile der Rede zur Preisverleihung an Uri Avnery könnten aktualisiert übernommen werden, nur die antiamerikanischen Komponenten müßten zusätzlich erarbeitet werden. Joachim Guillard vom Antiimperialistischen Komitee (AIK) und Wolfgang Haug könnten ihm dabei helfen, oder ihn mindestens wieder mit einem "ermutigenden Kommentar" unterstützen. (18)

Als Preisträger 2006 kämen Norman Finkelstein, Jacques Derrida oder Alain Gresh in Frage, im Zuge der Ausgewogenheit aber auch die Islamisten Tariq Ramadan oder Scheich Yussuf al-Qaradawi, um nur einige zu nennen.

6. Mai 2004

Anmerkungen

(1) Pressemitteilung vom 16.04.2004: Politischer Analytiker und Medienkritiker von Weltruf. Noam Chomsky nimmt Carl-von-Ossietzky-Preis persönlich entgegen.
Stadt Oldenburg
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/2004.html

(2) Eichborn kauft Europa Verlag.
Basler Zeitung Online und Bohmann Business Channel, 23.2.2004
http://www.baz.ch und http://www.bohmann.at/templates/index.cfm?id=12439

(3) CAT PEOPLE by LOUIS MENAND. What Dr. Seuss really taught us.
The New Yorker, Issue of 2002-12-23 and 30
http://www.newyorker.com/critics/atlarge/?021223crat_atlarge

Wie Bush die Welt betrügt. Dr. Noam Chomsky enthüllt. Dr. Gerhard Frey, Nationalzeitung
http://www.dsz-verlag.de/Artikel_04/NZ06_2.html

(4) Ein rotes Tuch in der Medien-Arena, von Von Wolfgang Spindler.
Noam-Chomsky-Forum.de
http://www.chomsky-forum.de/

(5) A Wall as a Weapon, by Op-Ed Contributor Noam Chomsky,
The New York Times, February 23, 2004
(über "search" bei der NY Times zu erwerben)
http://ww.nytimes.com

(6) Noam Chomsky: un linguiste édité par les néo-fascistes...
Par Didier Daeninckx, Amnistia.net
http://www.amnistia.net/librairi/amnistia/n21/chomsky.htm

Le catalogue de la maison d´éditions d´extrême droite Barbarossa. Catalogo seb 1997.
http://www.amnistia.net/librairi/amnistia/n21/doc2.htm

Società Editrice BARBAROSSA
http://www.libroelibri.com/barbarossa.htm

Le négationniste Serge Thion condamné pour diffamation
http://www.amnistia.net/news/articles/negdoss/thiocond/thioc ond.htm

Partners in Hate. Noam Chomsky and the Holocaust Deniers, by Werner Cohn,
Avukah Press Cambridge 1985/1995
http://www.wernercohn.com/Chomsky.html#anchor13840

(7) The Khmer Rouge Canon 1975-1979. The Standard Total Academic View On Cambodia. Sophal Ear, Ronald E. McNair, University of California Berkeley, Mai 1995
(big hat-tip to Ernest Brown)
http://jim.com/canon.htm

(8) "Der Jury gehören der Historiker Professor Dr. Ernst Hinrichs (Oldenburg), die Schriftstellerin und Professorin Kerstin Hensel (Berlin), die Präsidentin des Goethe-Instituts Inter Nationes, Professor Dr. Jutta Limbach, sowie der Redakteur und Journalist Eckart Spoo an."

Pressemitteilung vom 19.12.2003: Carl-von-Ossietzky-Preis 2004 geht an Noam Chomsky. Oldenburg zeichnet politischen Publizisten und bedeutenden Sprachwissenschaftler aus.
Stadt Oldenburg
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/2004.html

(9) The Guardian Profile: Noam Chomsky - Conscience of a nation, by Maya Jaggi.
Guardian. Saturday January 20, 2001
http://www.guardian.co.uk/Archive/Article/0,4273,4120040,00. html

(10) The Devil´s Accountant, by Larissa MacFarquhar. In: Noam Chomsky by Matt Dellinger. Sounds and Sites. The New Yorker Online, 2003-03- 31
http://www.newyorker.com/online/content/?030331on_onlineonly 02

Teufels Buchhalter. Nett und schräg: Der bahnbrechende Linguist und kauzige Anarcholibertäre Noam Chomsky wird heute 75 Jahre alt, von Robert Misik. taz, vom 6.12.2003
http://www.taz.de/pt/2003/12/06/a0121.nf/text.ges,1

(11) Träger des Carl-von-Ossietzky-Preises der Stadt Oldenburg (Oldb)
für Zeitgeschichte und Politik seit 1984
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/preistraeger.html

(12) Carl-von-Ossietzky-Preis. Vergaberichtlinien
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/vergaberichtlinien.html

Carl von Ossietzky (1889 - 1938). Die Carl von Ossietzky Universität (Kurzporträt)
http://www.uni-oldenburg.de/uni/vorstellung.html#cvo

(13) Carl-von-Ossietzky-Preis. Zur Geschichte
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/geschichte.html

(14) Kompositionsaufträge der Stadt Oldenburg anlässlich der Verleihung
des Carl-von-Osssietzky-Preises
http://www.oldenburg.de/cvo-preis/kompositionsauftraege.html

(15) Zionismus von A bis Z. The Jewish Agency for Israel
http://www.jafi.org.il/education/100/german/gloss/glossh.htm l

(16) Where Does the Money Go? A Study of the Palestinian Authority.
Dr. Rachel Ehrenfeld, American Center for Democracy, New York City, October 2002
U.S.A. - WWW.HASBARA.US
http://www.public-integrity.org/money.pdf

(17) Uri Avnery erhält den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg. Die Laudatio von Eckart Spoo. 4. Mai 2002.
In: Friedenspolitischer Ratschlag, 6. Mai 2002
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Friedenspreise/ avnery02.html

(18) Vorwort zum neuen Buch von Noam Chomsky "Die politische Ökonomie der Menschenrechte", von Michael Schiffmann, dem Übersetzer von Noam Chomsky, Edward Said , Mahmoud Darwisch u.a. Hintergrundtexte zu Mumia und anderen Themen
http://www.berlinet.de/ari/mumia/hintergr/vorwort.htm

Und hier das Neueste:

Chomsky´s Book Burners. By Tom Nichols, FrontPageMagazine.com, March 30, 2005
http://www.frontpagemag.com/Articles/ReadArticle.asp?ID=1750 6

The Definitive Anti-Chomsky Link List
http://plaza.ufl.edu/slasher/antichomsky.htm
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Bitte sehen Sie, geehrte Leserin, geehrter Leser auch, was das Schaf dazu zu blöken hat. Für dessen Unverschämtheiten entschuldige ich mich. [Leider z.Zt. nicht online, blök!]

Noam Chomsky - eine Hommage an den Carl-von-Ossietzky Preisträger 2004
Hi, ich bin der Reini und wohne in Kottingbrunn ...
http://www.eussner.net/schaf_2004-09-18_23-16-42.html

Der Carl-von-Ossietzky-Preisträger 2004 und sein Laudator Michael Schiffmann
http://www.eussner.net/schaf_2004-09-18_23-11-09.html