Zehn Jahre "Temporary International Presence in Hebron (TIPH)"

Ein Artikel vom 13. April 2004. Ergänzt am 30. Januar 2019


Die Temporary International Presence in Hebron (TIPH) wird eingerichtet, nachdem der israelische Siedler Baruch Goldstein am 25. Februar 1994 in der Ibrahim Moschee 29 palästinensische Betende ermordet. Die israelische Regierung verurteilt diesen Amoklauf umgehend, was die "internationale Staatengemeinschaft" nicht hindert, durch den UN Sicherheitsrat das Massaker in der Resolution Nr. 904 zu verurteilen und nach einer zeitweiligen internationalen Beobachtermission in Hebron zu rufen. Etwas Ähnliches ist schon nach den Verhandlungen zu "Oslo I" in einer Deklaration vom 13. September 1993, vorgesehen. Yasser Arafat erklärt nach dem Massaker, er werde die Friedensverhandlungen nicht weiterführen, wenn die Beobachtermission in Hebron nicht eingerichtet werde. Sie soll "Stabilität und normales Leben" fördern, was immer das heißen möge.

Israel, PLO Agree on Observers. By David Hoffman, The Washington Post, April 1, 1994

Ähnliche UN Resolutionen nach den Homizidattentaten an Israelis sind hier nicht bekannt. Diese Attentate werden seitens der PLO nicht verurteilt, im Gegenteil, sie werden stillschweigend von dort gebilligt und finanziell unterstützt.

Die TIPH besteht also anfangs auf Grund von 1994 zwischen der PLO und Israel geführten Verhandlungen, die am 2. Mai 1994 mit einem Abkommen über ein Mandat besiegelt werden. Am 8. Mai 1994 wird die TIPH eingesetzt. Die TIPH ist laut eigener Auskunft eine völlig objektiv arbeitende zivile Beobachtermission in der Westbankstadt Hebron. Dänemark, Italien, Norwegen (Koordinator), Schweden, die Schweiz und die Türkei entsenden Beobachter. Sie sollen die Anstrengungen beider Seiten, der israelischen und der palästinensischen, überwachen, ein normales Leben in Hebron aufrecht zu erhalten und somit ein Gefühl von Sicherheit unter den palästinensischen Bewohnern der Stadt zu schaffen, bei der Errichtung von Geberprojekten assistieren und die wirtschaftliche Entwicklung in Hebron ermutigen.

Über die Ergebnisse ihrer Beobachtungen sollen sie ihren Entsendestaaten berichten. Die Mitarbeiter der TIPH dürfen nicht direkt bei Vorkommnissen intervenieren, sie haben weder militärische noch Polizeifunktionen, obgleich das TIPH Personal Dänemarks, Norwegens, Italiens und der Türkei aus eben dem Bereich rekrutiert wird. Nur Schweden und die Schweiz rekrutieren ihr Personal nicht von dort.

Aus der Beobachtung etwaigen "Fehlverhaltens auf beiden Seiten des Konfliktes" wird bald eine einseitige Parteinahme für die Palästinenser, dafür sorgt schon die Herkunft des TIPH Personals, das im Frühjahr 2001 vom französischen Fernsehsender TV5 vorgestellt wird. Es handelt sich durchweg um Sympathisanten der islamisch-palästinensischen Sache, es gibt zu der Zeit Personal, das direkt aus dem Kosovo kommt und dort im Einsatz war für die Kosovo-Albaner, einen Italiener, der ein Araber mit italienischem Paß ist, und muslimische Türken.

Beide Seiten können bald keine Einigung über das Fortbestehen der TIPH erzielen, und die Beobachtermission zieht am 8. August 1994 aus Hebron ab.

Ein zweiter Vertrag über eine TIPH wird unter dem Eindruck der Verhandlungsergebnisse von "Oslo II" oder "Taba", vom 28. September 1995, geschlossen. Am 12. Mai 1996 tritt die Beobachtermission an. Sie besteht ausschließlich aus Norwegern und soll bis zum Teilabzug der israelischen Militärs beobachten. Anschließen soll sie wieder international zusammengesetzt sein.

Am 21. Januar 1997 wird das Abkommen zwischen der PLO und der israelischen Regierung erneuert. Die Mandatsperioden sollen jeweils drei Monate umfassen und ständig erneuert werden, wenn nicht eine der beiden Seiten vom Vertrag zurückträte. Am 1. Februar 1997 tritt die multinational zusammengesetzte TIPH ihre Beobachtermission an.

Sie betrachten die israelischen Soldaten abfällig, und obgleich ihre Mitglieder nicht autorisiert sind, direkt in Konflikte einzugreifen, polizeiliche und militärische Funktionen auszuüben oder Untersuchungen anzustellen, sind sie fotografierend und filmend unterwegs, um Übergriffe der israelischen Soldaten zu dokumentieren. So ziehen sie mit der Kamera wedelnd durch die Stadt, eine kleine Truppe aufrechter Gutmenschen, die sich mit kleinen Kindern ablichten lassen, den Müttern zur Geburt eines Kindes gratulieren, in den Häusern auf ein Schwätzchen einkehren, kurz, den Palästinensern objektiv ihre ganze Zuneigung zu demonstrieren.

So dokumentiert von TV 5. Nach diesem Muster arbeitet auch das seit August 2002 bestehende Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen. Auch seine Aufgabe ist es, zu beobachten und zu melden.

Der Ökumenische Rat der Kirchen im Einsatz für die Rechte der Palästinenser 
Flucht und Vertreibung der Palästinenser in deutschen Online-Medien
Von Gudrun Eussner, Trend Partisan, 22. Oktober 2003, S. 23-26

Die Juden in Hebron arbeiten mit den Beobachtern schon seit 1998 nicht mehr zusammen, sie bestreiten schlicht die Kompetenz und die Objektivität der Gruppe. Diese habe sich auch früher noch nie um die Israelis und ihre Sorgen gekümmert, von der jüdischen Religion hätten sie gar keine Ahnung, sie verstünden nichts. Die TIPH sei eine antisemitische Organisation. Ein israelischer Kommandeur in Hebron erklärt, daß Erkenntnisse vorlägen, daß die TIPH Informationen an Terrorgruppen gebe.

Den Israelis und den Palästinensern bleibt auch nichts erspart. Jedes Land, das etwas auf sich hält, wühlt in der Gegend herum und tut alles, um nur den Status quo zu erhalten.

Unverdrossen arbeitet die TIPH in Hebron weiter. Sie besteht, im April 2004, aus 71 Mitgliedern, die in drei Abteilungen arbeiten, Operations, Staff und Support. Es sind 21 Norweger, 16 Italiener, 11 Dänen, 12 Schweden, fünf Türken und fünf Schweizer. Diese werden von Medien interviewt, rennen, wenn´s Tränengas in den Straßen gibt, und lernen, wie man mit Gasmasken umgeht. Das alles geschieht auf der offensichtlich nie angepaßten oder erneuerten Abkommensgrundlage vom 21. Januar 1997. Beobachter im Außendienst sind nur knapp die Hälfte des Personals, das andere sind Verwaltungsbeamte.

Das Personal ist laufend damit befaßt, für seine Sicherheit zu sorgen und die Sicherheitslage für sich einzuschätzen. Die TIPH-Autos haben spezielle Schilder und sind beflaggt, damit man die Beobachter von weitem erkennen kann. Sie sind unbewaffnet. In Gegenden, wo geschossen wird, gehen sie sowieso nicht; denn es ist zu gefährlich. Auf der Abbildung sieht man einen Beobachter mit kugelsicherer Weste. Ein richtiges Abenteurerleben ist das!

Im März 2002 werden trotz aller Sicherheitsvorkehrungen ein türkisches und ein schweizerisches Mitglied der TIPH auf mysteriöse Weise erschossen. Die Palästinenser machen Israelis dafür verantwortlich. Die aber behaupten, es könnten nur Palästinenser gewesen sein. Israelische Truppen seien zu der fraglichen Zeit nicht in der Gegend gewesen. Es ist bekannt, daß die Palästinenser die TIPH für eine "zahnlose Truppe" halten.

Advisory: TIPH reports "no information on the shooting" of two of its personnel
Ali Abunimah and Nigel Parry, The Electronic Intifada, 26 March 2002

Interessant ist das ausgeklügelte Berichtssystem der TIPH. Es gibt verschiedene Arten von Berichten. Wer jemals im Regierungsauftrag international tätig war, weiß, was damit gemeint ist. Abzuliefern sind Berichte, mit denen die eigene Regierung ihre politischen Entscheidungen vorbereiten kann. Gerade die sechs kleineren Länder, die ihr Personal in die TIPH entsenden, haben so Zugang zu Informationen, die England, Frankreich, Deutschland und erst recht die USA auf anderem Wege erlangen; sie brauchen keine TIPH-Mitarbeiter zu finanzieren.

"Beobachten, berichten und überwachen"

Es gibt Berichte über die allgemeine Lage, über Vorkommnisse bei Patrouillen, Verletzung der Menschenrechtsstandards durch die Israelis, es gibt periodische und 14-tägige Berichte an die sechs Mitgliedsländer, an die PLO und an Israel. Wohl um die Notwendigkeit des TIPH-Wirkens zu unterstreichen, ist auf der Web Site mahnend ein Symbol der in Israel verbotenen Kach-Gruppe auf einer palästinensischen Tür in der Altstadt von Hebron abgebildet.

Es gibt ein Monitoring and Steering Committee (Überwachungs- und Steuerungs-Komitee), das die allgemeine Situation in Hebron einschätzt und darüber die sechs Länder informiert.

Zur Demonstration der Ausgewogenheit der TIPH-Arbeit ist auf der Web Site auch ein Stand zur Erinnerung an die Ermordung einer schwangeren Siedlerfrau und deren Ehemann abgebildet, ganz unten links, zum Schluß.

Die TIPH arbeitet im Gesundheits-, Sozial-, Kultur- und Erziehungsbereich mit lokalen palästinensischen Organisationen zusammen. Für Frauen gibt es Nähkurse.

Was Zusammenstöße von Palästinensern mit der israelischen Armee angeht, so sieht man auf der Web Site keine feindlichen Handlungen der Palästinenser, sondern nur einen israelischen Soldaten mit Maschinengewehr im Anschlag. Die auf den anderen Fotos gezeigten palästinensischen Männer erscheinen jovial und sehr friedfertig. Die Gewalt kommt durch Israel ins Bild. Eine Seite ist der Darstellung der israelischen Siedlungen gewidmet.

Die TIPH betreibt eine gezielte Medienpolitik. Ein Beobachter wird direkt neben einer Granatenspur abgelichtet, wie er über eine Mauer späht, Beobachter verfolgen den Einsatz des israelischen Militärs und die Verhaftung eines Palästinensers, Beobachter mit Kindern, Beobachter mit Personal vom Roten Halbmond usw. Es gibt Newsletters, Press Releases, offizielle Dokumente, vom Wye River Memorandum bis zum Abkommen über die Einsetzung der TIPH.

Die TIPH Mitarbeiter kommen aus dem militärischen, polizeilichen und zivilen Bereich. Gegenwärtig sind ca. 15 Prozent Frauen. Bürger der sechs TIPH Mitgliedsländer können sich bei den für sie zuständigen Institutionen für einen Einsatz in Hebron bewerben:

  • Schweden: Swedish International Development Agency (SIDA), die staatliche Entwicklungshilfeorganisation
  • Schweiz: Außenministerium
  • Dänemark: Außenministerium und dänische Polizei
  • Norwegen: Norwegian Refugee Council und norwegische Polizei
  • Italien: italienische Polizei und italienische Armee
  • Türkei: Außenministerium und türkische Armee

Der armen gebeutelten Region bleibt auch nichts erspart!

13. April 2004