Artikel vom 5. Januar 2008 [Links nicht aktualisiert]
Geschichten und Legenden
Alles, was bekannt ist,
sind Geschichten und Legenden, die mündlich überliefert wurden, bis sie einige
Jahrhunderte nach seinem Tod von einem Bektaschi-Derwisch in einem Buch mit dem
Titel Velayetname niedergeschrieben wurden. Man glaubt, daß Haci Bektasch vom Kaliphen Ali abstammte (Aleviten heißen
solche, die Ali auf dem Wege nachfolgen), und sein Geburtsdatum wird
unterschiedlich mit 1209 und 1247 angegeben. (1)
Die Aleviten in der Politik der Osmanen
Auch die Janitscharen standen unter dem geistigen Einfluss Bektaschs. Ein
Teil der im Osmanischen Reich lebenden Schiiten spalteten sich zu der Zeit ab
in einen vom Islam abgekoppelten Alevismus und berief sich u.a. auf Bektasch.
Manche Geschichtsforscher sehen in der Entstehung des Alevismus eine von den
Osmanen geförderte Schwächung der Schia, dessen Widerstandsgeist gegen ein
unrechtmäßiges Kalifat durch Entstehung der Aleviten erheblich geschwächt
wurde! (2)
Seyyit Ali Sultan
(1310? - 1402?)
Seyyit Ali Sultan wird
in den Bektaschikreisen als einer der großen Heiligen verehrt. ... Es gibt zwei
heute bekannte velayetnames, Heiligenschriften, beide enthalten Informationen über Seyyit Ali Sultan.
Eine wird ihm direkt zugeschrieben, sie erklärt, wie Rumeli, Europa,
durch Vierzig Helden erobert wurde, die dem in einem Traum gegebenen göttlichen
Befehl des Propheten Mohammed folgend aus Chorasan kamen. In diesem velayetname
wird Ali Sultan beschrieben als ein Krieger-Heiliger, der seine göttliche Macht
benutzte, um von den 'Ungläubigen' Land zu erobern, um das Reich der wahren
Religion Islam auszuweiten. Das stellt einen exzellenten Prototyp von
Ghazi-Derwischen dar, die aktiv beteiligt waren in der frühen osmanischen
Expansion in byzantinisches Land. (3)
Die Helden, die Seyyit
Ali Sultan und seine Gefährten sind, die als Heilige angesehen werden, kämpfen
auf dem Schlachtfeld, erobern Festungen, senken Furcht in die Herzen der
'Ungläubigen', und konvertieren schließlich 'Ungläubige' mit Gewalt. Während
der Eroberung der Festung Murtad (Murtad Ova, 35 km nordwestlich von Ankara)
beispielsweise, wird über den Kampf des Tahir mit einem Ungläubigen berichtet.
Tahir trifft den Ungläubigen und wirft ihn nieder. Dann kniet er sich auf die
Brust des Ungläubigen und lädt ihn ein zur Annahme der wahren Religion Islam.
Nachdem der Ungläubige angenommen hat und zum Islam konvertiert ist, befreit
ihn Tahir. (4)
Diese Art von
Ereignissen finden sich häufig im Velayetname. Das besondere an dieser
Geschichte ist, daß im Falle, der Ungläubige akzeptiert den Religionswechsel
nicht, hätte unser Krieger-Derwisch ihn ohne zu zögern getötet. Die übernatürliche
Kraft des Vollbringens von Wundern (keramet) wurde unter den Sufis
angesehen als eines der signifikanten Zeichen des Veli, des Heiligen.
(5)
Von den Bektaschis
gelenkte Janitscharen ermorden reformerische Sultane
... Zweitens blockierte
die anhaltende Stärke einiger Institutionen in der osmanischen Gesellschaft
Bemühungen, sozial dysfunktionale Elemente zu ändern. Beispielsweise die
"ulema" (die religiöse muslimische Hierarchie, Gerichte und Schulen)
waren mächtig genug, Änderungen in Gesetzen oder Erziehung zu verhindern. Und
die Infanterie der Janitscharen war in der Lage, Reformer zu ermorden, die die
osmanische Armee reformieren wollten: ihre Opfer waren auch die Sultane Osman
II, 1622, und Selim III, 1807. (6)
Verbot des Bektaschi-Ordens und Beginn der Unterdrückung der Aleviten
richtig ist, das die janitscharen von den bektaschis ausgebildet wurden.
der grund, warum die janitscharen niedergeschlagen wurden, ist der, das ihnen
die disziplin abhanden gekommen ist. sie waren sogar kurz davor zu rebellieren.
ausserdem waren sie nicht mehr effizient genug, gegen die moderneren waffen des
westens. fortan wurde der orden der bektaschis verboten und seitdem begann auch
die epoche der unterdrückung der aleviten. ... (7)
Aleviten kämpfen im WWI gegen die armenischen Milizen
Innerhalb der Führungskader und Gefolgschaft des Komitees für Einheit und
Fortschritt waren die sich in ihren Lehren und Riten dem Alevitentum weitgehend
ähnelnden (vgl. Birge 1937: 16) und 1826 nach der Beseitigung der Janitscharen
verrandeten Bektaschiten überrepräsentiert (vgl. Öz 1997: 35) oder zumindest
häufig anzutreffen ... Aleviten und Bektaschiten kämpften (im Ersten
Weltkrieg) auf Seiten des unionistisch geführten Osmanischen Reiches gegen
die von den Alliierten unterstützten armenischen Milizen. Dafür gab es zwei
Gründe: Erstens, die reaktive Verhaltensweise auf ihre graduelle
Entdiskriminierung und auf ihre Regierungsbeteiligung bei der
Jungtürkenherrschaft und zweitens, die für alle osmanischen (sunnitischen und
alevitischen) Muslime bestehende gemeinsame äußere russische und armenische
Bedrohung. (8)
Aleviten und Bektaschis gehören zur politischen Elite Atatürks
Sieht man von der Jungtürkenära und von der religiösen Unterweisung der
Janitscharen durch den Bektaschi-Orden ab, waren die Aleviten (und nach 1826
auch Bektaschiten) im Osmanischen Reich über Jahrhunderte hinweg Verfolgung und
Vernichtung ausgesetzt. Aber im Herrschaftsbereich der von Atatürk geführten Regierung
der Großen Nationalversammlung der Türkei (Türkiye Büyük Millet Meclisi, TBMM)
waren sie dagegen an der politischen und administrativen Elite beteiligt: Das
religiöse Oberhaupt der Bektaschiten und Aleviten, Celebi Cemalettin Efendi und
später dessen Sohn Veliyettin Celebi (Ulusoy), waren jeweils Vize-Präsident des
türkischen Parlaments und damit Atatürks Stellvertreter. Zum ersten Mal waren
auch ranghohe Alevitenführer in einer türkischen Nationalversammlung vertreten
(vgl. Sener 1994: 71f.). Diese Partizipation der Elite der konfessionellen
Minderheit der Aleviten kann die These ihrer graduellen Emanzipation innerhalb
der Nationalbewegung stützen. (8)
Die Rolle der Aleviten im Ersten Weltkrieg
Einen markanten Einschnitt in das Verhältnis von Ostaleviten, Bektaschiye
und Staat bedeutete der Erste Weltkrieg. Während die zentrale
Bektaschi-Organisation mit ihrem für die Dorfaleviten zuständigen Oberhaupt
(Çelebi) Cemaleddin Effendi offen mit dem Kriegsregime kollaborierte und für
Enver Pascha die Kriegstrommel schlug, widersetzten sich die meisten
Ostaleviten unter Anleitung der Dersim-Seyite jeglicher Zusammenarbeit. 1915/16
zeigten zahlreiche kurdische Alevitenstämme in ihrem Wirkungsgebiet aktiven
Widerstand gegen die Eliminierung “ihrer” Armenier, indem sie Schlepperdienste
organisierten oder, in Einzelfällen, armenische Bekannte mit Waffengewalt aus
den Deportationskolonnen befreiten. (9)
Aleviten kämpfen gegen armenische Verbände
Die Widerstandsbewegung griff bei ihrer Organisierung auch auf bisher
bestehende Netzwerkstrukturen der auch von (oft Balkanstämmigen und )
Aleviten-Bektaschiten unterstützten Unionisten zurück: Die in Istanbul im
Untergrund arbeitende, nachrichtendienstliche Tätigkeiten für die
Widerstandsbewegung leistende, zu ihr nach Anatolien Humanressourcen und Waffen
schmuggelnde 'Mim-Mim-Gruppe' bestand größtenteils aus Aleviten und
Bektaschiten (vgl. Sener 1994: 47; Öz 1997: 35). Das Amt des Präsidiums des
Atatürk treuen türkischen Geheimdienstes wurde von einem Bektaschiten besetzt
(vgl. Sener 1994: 74). ...
In Ostanatolien wurden neben sunnitischen auch wieder alevitische Kurden- und Zaza-Clanmilizen gegen armenische Verbände eingesetzt (vgl. Sener 1994: 58). (8)
In Ostanatolien wurden neben sunnitischen auch wieder alevitische Kurden- und Zaza-Clanmilizen gegen armenische Verbände eingesetzt (vgl. Sener 1994: 58). (8)
Widmung
Diese Dokumentation
widme ich den Wissenschaftlern und ihren Familien, die in der zweiten Hälfte
der 60er Jahre in Istanbul am Deutschen Archäologischen Institut (DAI),
in der Sira Selviler, der Zypressenstraße, gearbeitet haben, den
Familien Prof. Weber, Dr. Otto Feld, Dr. Dietrich Huff, Wolfgang (?) Schiele,
Fotograf aus Etiler, seiner Frau und seinen Töchtern Susi und Caroline, und vor
allem Horst Zeschke. Ich danke für die Gastfreundschaft und die vielen
Informationen der Byzantinisten, Frühchristen, Architekten und des
Bibliothekars. In Bodrum, dem ehemaligen Halikarnassos, wurde in einem
insgesamt gemieteten Restaurant gefeiert, gegessen, musiziert und getanzt. In
Priene fielen alle ins Grabungshaus des DAI ein.
Wer hätte zwischen
roten Anemonen bessere Vorträge über eine byzantinische Kapelle halten können
als Dr. Otto Feld, mit seinem Spazierstock gestikulierend, wer über
justinianische und theodosianische Scherben besser als Prof. Dr. Weber, wer
über die Schiffe im Istanbuler Hafen, als die beiden Söhne von Prof. Weber: Was
wollt ihr werden? Kapitän! Mit Dr. Otto Feld ging's zum Chinesen, der hieß mit
muslimischem Namen Yusuf Chin, oder alle trafen sich in Tarabya, wo zufällig
auch Zeki Müren mit seinen Freunden einfiel und für alle ganz kostenlos sang: Zeki
abla, yabancı oldu şimdi!
Wer hätte eine
aufregendere Sammlung vom Istanbuler Bücherbasar sein eigen genannt als Horst?
Jüdische Emigranten versetzten, um zu überleben, ihre Bücher, die nach dem
Krieg niemanden interessierten. Horst besaß die Erstausgabe der Dritten
Walpurgisnacht, das Weißbuch über die
Erschießungen des 30. Juni 1934, von Willy Münzenberg,
und das Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Für 3 Lira, umgerechnet
eine DM, kaufte er einen schmalen und dafür umso längeren Stich der Stadt
Hamburg. Wert war er das Tausendfache. Den 100 Jahre alten Kelim, ein
Abschiedsgeschenk meiner letzten Reise, besitze ich heute noch: iyi
yolculuk! (10)
Übersetzung der englischen Texte: Gudrun Eussner
5. Januar 2008
Quellen
(1) semah dance. Coscun
Tezic, TrekEarth, January 3/12, 2007
http://fr.trekearth.com/gallery/photo552921.htm
(2) Hadschi Bektasch
Veli (1209/1210 - 1270/1271). Enzyklopädie des Islam
http://www.eslam.de/begriffe/b/bektasch.htm
(3) Chorasan. Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Chorasan
(4) Blucium and Peium: The Galatian Forts of King Deiotarus. Stephen Mitchell. Anatolian
Studies,
Vol. 24, 1974 (1974), pp. 61-75. JStor
Vol. 24, 1974 (1974), pp. 61-75. JStor
http://tinyurl.com/3cryk4
(5) Dervishes in early
Ottoman Society and Politics.A Master's thesis by Riza Yildirim,
Ankara, September 2001, p. 86, 92
Ankara, September 2001, p. 86, 92
http://www.thesis.bilkent.edu.tr/0001810.pdf
(6) Lecture No. 11: Macedonia and the failure of Ottoman reforms
http://www.lib.msu.edu/sowards/balkan/lect11.htm
(7) AW: Osman Gazi.
Kommentar von colak, PolitikCity.de. Europas größtes türkisches Forum, 6.
Januar 2007
http://www.politikcity.de/forum/showpost.php?p=269181&postcount=9
(8) Zur Situation türkischer Aleviten in der kemalistischen Republik
(1923-1946), Von Burak Gümüs. 24. September 2005
http://www.politikcity.de/forum/showthread.php?t=4253
(9) Die Aleviten im Wandel der modernen Geschichte. Von Hans-Lukas Kieser,
Vortrag, 6. September 2001
http://www.hist.net/kieser/pu/AleviModerne.html
(10) Deutsches Archäoligisches Institut Istanbul
http://www.dainst.org/abteilung_266_de.html