Artikel vom 12. Juli 2005 [Links nicht aktualisiert]
"CE SITE A POUR VOCATION D´APPELER A LA DÉMISSION DU CHEF DE L´ÉTAT". Diese Site stellt sich die Aufgabe, den Staatschef zum Rücktritt aufzurufen, beginnt der "Appell des 18. Juni. Chirac Rücktritt". Eine entsprechende Petition kann angeklickt werden. Dort sind die politischen Fehler des Staatspräsidenten Jacques Chirac in neun Punkten aufgelistet: (1)
- die massivsten sozialen Proteste seit 1968,
- schlimmste wirtschaftliche und soziale Lage seit langem,
- seine und die einiger seiner Mitarbeiter Entzug vor juristischer Verfolgung wegen Korruption,
- verfehlte Auflösung der Nationalversammlung, 1997, und daraus folgend fünf Jahre Kohabitation mit der Linken,
- ihm trotz seiner Opposition durch Referendum bei mehr als 70 Prozent Enthaltungen aufgezwungene fünfjährige Amtszeit,
- Inkonsequenz bei der Abschaffung des bei fünfjähriger Amstszeit überflüssigen Postens des nunmehr machtlosen Premierministers,
- durch verfehlte Politik am 21. April 2002, im ersten Wahlgang, Möglichkeit des Jean-Marie Le Pen, in den zweiten Wahlgang zu gelangen,
- desaströse Europapolitik: der "deutsch-französische Motor" seit zehn Jahren tot, Bruch mit den neuen EU-Mitgliedsstaaten, Vertrag von Nizza schlechtester jemals unterzeichneter Vertrag, die von Frankreich gewünschte und unter Führung eines ehemaligen Staatspräsidenten Frankreichs ausgearbeitete von den Franzosen massiv abgelehnte Europäische Verfassung,
- eine sich selbst international ausgrenzende Politik: Wiederaufnahme der Atomversuche, 1995, Unfähigkeit politisches Gewicht im Nahen Osten zu erlangen, schlechte Beziehungen zu Israel, schroffer Bruch mit den USA, Verlust des Einflusses in Afrika.
Das Datum 18. Juni wird gewählt in Anlehnung an den berühmten Londoner Aufruf des Generals Charles de Gaulle, vom 18. Juni 1940, zum Widerstand der Franzosen gegen die Besetzung Frankreichs durch die Truppen Nazi-Deutschlands. (2)
In der Tat hat Jacques Chirac auf innen- und auf außenpolitischem Parket nichts als Niederlagen aufzuweisen, wobei die schlimmsten, aus diesem Jahr, verlorenes Referendum zur Europäischen Verfassung, mißratene Haushaltsverhandlungen in Brüssel und JO Paris 2012 noch gar nicht aufgelistet sind.
"Laß mich nicht fallen", fleht er, in den Armen des Dominique de Villepin, in einer Karikatur des Canard enchainé, vom 5. Juli. "Wohin soll ich dich denn ablegen?" fragt dieser. Ja, wohin mit ihm, und wann?
"Laß mich nicht fallen", fleht er, in den Armen des Dominique de Villepin, in einer Karikatur des Canard enchainé, vom 5. Juli. "Wohin soll ich dich denn ablegen?" fragt dieser. Ja, wohin mit ihm, und wann?
Die Linke Frankreichs zersplittert zu Atomstaub
Währenddessen atomisiert sich die politische Linke Frankreichs immer mehr. Dies betrifft nicht nur die linksradikalen, mit Antisemiten, bedingungslosen Palästinenserfreunden und Globalisierungsgegnern durchsetzten Neinsagerparteien und -gruppen PCF, LCR, Verts und deren Bündnispartner wie die ATTAC, sondern auch die Strömungen innerhalb des Parti Socialiste (PS), dessen Hauptaufgabe es zu sein scheint, alles auszugrenzen, was dem Generalsekretär des PS und Erfinder der Sauce hollandaise François Hollande gefährlich werden könnte bei seinen Schachzügen, die Präsidentschaftskandidatur 2007 betreffend. Dabei schlafen die Franzosen dennoch beinahe ein, auch ohne die zusätzlichen Aufregungen um den seines Nein zur europäischen Verfassung wegen aus dem Nationalrat des PS ausgeschlossenen Laurent Fabius. Seinen Platz nimmt "auf Einladung des François Hollande" (sic!) Dominique Strauss-Kahn ein, und das Kandidatenduell kann bei größtem Desinteresse der Wähler losgehen. (3)
Derweil spalten sich die Gegner der Europäischen Verfassung Nouveau Parti Socialiste (NPS) in Anhänger einer sofortigen Allianz mit dem Neinsager Laurent Fabius um Arnaud de Montebourg und in solche um Vincent Peillon, der eine Entscheidung darüber auf dem Kongreß des NPS in Mans herbeiführen will. Noch ist die Hoffnung auf Einigung dort nicht verloren. (4)
Damit nicht genug, gerät der Bürgermeister von Paris Bertrand Delanoë (PS) jetzt des verlorenen Zuschlages für die Olympiade 2012 wegen unter Beschuß seiner politischen Gegner, als wenn die Kandidatur nur seine Angelegenheit gewesen wäre und nicht ebenso die vom UMP regierten Frankreich. Nur der Erfolg hat viele Väter ...
Die Olympiabewerbung von Paris JO 2012
Während unmittelbar nach der Veröffentlichung des Ergebnisses die Medien und Politiker aller Parteien voll des Schimpfs gegen London sind, das bei der Präsentation seiner Bewerbung mehrfach die "ligne jaune", die gelbe Linie zur Unfairness überschritten habe - man konnte die gehässigen Kommentare des Fernsehens und des Radios kaum noch ertragen - steht der Pariser Bürgermeister mit seinen Vorwürfen nun allein da: "Der Sieg ist anders zustande gekommen als durch Olympia-Geist", meint er verbittert und erhält von denjenigen, die in den Startlöchern der politischen Olympiade zu seiner Ablösung kauern, als Antwort nur Schimpf und Schande. "Schockierend, taktlos, fast anstößig", meint sein Herausforderer Claude Goasguen, noch dazu nach dem schweren Schicksalsschlag, der London mit den Attentaten vom 7. Juli getroffen habe. Dann stimmt er vor der Presse ein Loblied auf die mutigen Londoner an.
Claude Goasguen macht Schluß mit der Schuldzuweisung an andere, wie sie auch Jacques Chirac und Dominique de Villepin gegenüber der Politik des Tony Blair ständig hervorbringen. Wer hin und wieder den Fernsehsender der Nationalversammlung LCP einschaltet, kann dort einen Dominique de Villepin bei solchem Unterfangen sehen, wenn er über die Haushaltsverhandlungen in Brüssel berichtet. (5)
Was die Olympiabewerbung 2012 der Stadt Paris angeht, so lassen sich die Franzosen monatelang blenden von Medienberichten, in denen der Stadt Paris vor ihrer Hauptgegnerin London ein Vorsprung attestiert wird. Tatsächlich liegt Paris immer knapp hinter London in der Bewertung der Wetter bei den Londoner Buchmachern. Diese Wetter wollen Geld machen. Sie haben ihre Augen und Ohren überall, wo es Informationen zum Stand der Chancen gibt. Die französischen Medien halten es nicht für angebracht, solche Recherchen anzustellen. Sie verweben in ihre Artikel ihre und die Wünsche und Hoffnungen der Franzosen. Das steigert Auflage und Ansehen. (6)
Besonders deutlich wird bei den Geiselaffären der drei Journalisten Christian Chesnot, Georges Malbrunot und Florence Aubenas, daß auf die französischen Medien als Vierte Gewalt kein Verlaß ist, sondern daß sie sich als linke Märchenerzähler und/oder als Unterstützer der Wunschträume ihrer Leser und der Regierung verdingen. Ein Beispiel möge die Behandlung der widersprüchlichen Erzählungen der angeblichen Geisel Florence Aubenas sein. Keine der Zeitungen des Mainstream und erst recht nicht die linken Internet-Portale gehen auf die konfusen Berichte der Journalistin ein, niemand fragt sich, wieso eine Frau, die 157 Tage unter den von ihr geschilderten Verhältnissen vegetieren mußte, keine Woche später putzmunter mit ihrem "fixeur" Hussein Hanoun auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget auftreten kann. (7)
Die Sommeruniversität des Parti Radical in Perpignan, 8. bis 10. Juli 2005
In diese desolate politische und mediale Szenerie fällt die seit langem geplante Université d´été, die Sommeruniversität, des Parti Radical, der ältesten Partei Frankreichs, gegründet im Juni 1901. Die Partei führt ihre Wurzeln zurück bis in die Zeit der französischen Revolution. Ihre Geschichte kann man auf ihrer Site oder auch in dem Buch von Serge Berstein und Marcel Ruby: "Un siècle de radicalisme" nachlesen, um nur zwei der zahlreichen Quellen zu nennen. Die ersten herausragenden Radikalen sind Alexandre Ledru-Rollin und Léon Gambetta. (8)
In diese desolate politische und mediale Szenerie fällt die seit langem geplante Université d´été, die Sommeruniversität, des Parti Radical, der ältesten Partei Frankreichs, gegründet im Juni 1901. Die Partei führt ihre Wurzeln zurück bis in die Zeit der französischen Revolution. Ihre Geschichte kann man auf ihrer Site oder auch in dem Buch von Serge Berstein und Marcel Ruby: "Un siècle de radicalisme" nachlesen, um nur zwei der zahlreichen Quellen zu nennen. Die ersten herausragenden Radikalen sind Alexandre Ledru-Rollin und Léon Gambetta. (8)
Unter Premierminister Emiles Combes (PR) grenzt sich der PR von der marxistischen Linken ab. An der Erarbeitung und Verabschiedung des berühmten Gesetzes über die Laïzität, 1905, hat der PR maßgeblichen Anteil. Das Gesetz bekräftigt, daß die französische Republik die Gewissensfreiheit schützt und keinen religiösen Kult anerkennt oder finanziert. Der PR stellt zwei Präsidenten der Republik, Gaston Doumergue, vom 13. Juni 1924 bis 13. Juni 1931, und Paul Doumer, vom 13. Juni 1931 bis 6. Mai 1932. Er wird von Gorgoulov, einem weißrussischen Anarchisten oder Revolutionär (je nach Quelle) ermordet. Unter Gaston Doumergue wird die Sowjetunion diplomatisch anerkannt sowie das Ruhrgebiet geräumt und der Young-Plan verabschiedet.
Ein berühmter Vorsitzender des PR ist Georges Clémenceau, Herausgeber seit 1897 der Zeitung L´Aurore, in deren Kolumnen er Alfred Dreyfus verteidigt und den Aufruf "J´accuse" von Emile Zoila veröffentlicht. Unter Raymond Poincaré ist er ab November 1917 Präsident des Ministerrates. Ein anderer PR-Vorsitzender ist der Präsident des Ministerrates Edouard Daladier, der 1938 mit Chamberlain, Hitler und Mussolini das Münchner Abkommen unterzeichnet. Am 3. September 1939 erklärt er Deutschland den Krieg. Nach dem Krieg sind acht weitere Vertreter des PR Präsidenten des Ministerrates, darunter Pierre Mendès-France, der gemeinsam mit Guy Mollet, Jacques Chaban-Delmas und François Mitterand die Mehrheit über Edgar Faure, von der rechten Mitte gewinnt. (9)
Anfang der 70er Jahre spaltet sich der linke Flügel ab und wird Mouvement Radical de Gauche und dann Parti Radical de Gauche. In dieser ist der Herausgeber des Réseau Voltaire und Verschwörungstheoretiker Thierry Meyssan Nationalsekretär.
Der PR ist heute Teil der Union pour un mouvement populaire (UMP), der Vereinigung für eine Volksbewegung. Seine Regierungsbeteiligung reduziert sich auf die Ministerebene als höchste Position, zwei PR-Minister der Regierung sind Jean-Louis Borloo, Minister für Arbeit, soziale Zusammenarbeit und Wohnungswesen, und Industrieminister François Loos.
Der Präsident des PR André Rossinot lädt diese Minister sowie Senatoren und Abgeordnete des PR ein, gemeinsam mit Mitgliedern und Gästen die Sommeruniversität zu gestalten. Ungefähr 800 Teilnehmer folgen der Einladung zur Sommeruniversität. Sie steht unter dem Motto: "Pour une société équitable", für eine gerechte Gesellschaft - ein dehnbarer Begriff. Es wird debattiert über notwendige Reformen der staatlichen Institutionen, der Kampf für Europa wird beschworen und die Notwendigkeit der Förderung von Erziehung und Bildung betont. Auf dem Hintergrund der Unruhen vom Juni, da in Perpignan Gruppen von Maghrebinern und Zigeunern sich Schlachten liefern und zwei Tote zu beklagen sind, versucht die Sommeruniversität, Lösungen für die Problematik vorzuschlagen. Jean-Paul Alduy, Bürgermeister von Perpignan und Senator der UMP, weist dazu auf Arbeitslosigkeit und Elend hin als Ausgang für solche Unruhen. Die benachteiligten Bevölkerungskreise konzentrieren sich in den alten, baufälligen Quartieren der Stadt.
Was nicht angesprochen wird, das ist die Entstehung des Konfliktes. Ein Maghrebiner, dessen Auto von einem jungen Zigeuner demoliert wird, holt nicht etwa die Polizei, sondern er will die Angelegenheit mit den bekannten Folgen der Eskalation selbst regeln. Hier zeigt sich, daß diesen Bevölkerungsgruppen jedes Vertrauen in Polizei und Justiz abhanden gekommen ist. Sie machen die Angelegenheiten unter sich aus. Wenn dann noch hinzukommt, daß in Kreisen von Regierung und Verwaltung westlicher Staaten ernsthaft erwogen wird, auf die Forderungen radikaler Muslime einzugehen und Teile der Scharia in unserer Gesellschaft einzuführen, dann braucht man sich über nichts mehr zu wundern. Aus einer Parallelgesellschaft wird eine Gegengesellschaft.
Mehr Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben aller, soziale und solidarische Wirtschaft, das müssen für die Randgruppen der Gesellschaft große Worte bleiben - ganz abgesehen davon, daß eine Gesellschaft nicht "gerechter" werden kann, im Gegensatz zur Ansicht von Fabienne Levy, der Vizepräsidentin des PR; denn "gerecht" kann man nicht steigern. "Ganz einfach", meint sie, sei es, zu einer gerechteren Gesellschaft zu kommen, " in dem man etwas anderes als den Profit entwickele. Von jetzt an müsse in allen Aspekten eine Verbindung hergestellt werden zur sozialen und solidarischen Wirtschaft, ob es die Dienste an Personen seien oder der Schutz der Umwelt, sie hätten Motor für die Gerechtigkeit zu sein. "Pragmatisch, die Radikalen, das ist das geringste, was man sagen kann", meint lapidar Martial Mehr, der Berichterstatter des "Indépendant". (10)
Erfreulich ist es, daß zahlreiche Teilnehmer der Sommeruniversität nicht mehr andere verantwortlich machen wollen für die Krise in Frankreich. "Frankreich ist nicht fähig und auf der Höhe der Anforderungen", sagt Josiane Attuel, von der Universität Paris XII. Es fehlten die intellektuelle und kulturelle Wettbewerbsfähigkeit sowie Risikobereitschaft. Die Jugendlichen Frankreichs wollten zu 64 Prozent in den öffentlichen Dienst und nicht in Industrie, Finanz und Dienstleistung.
Andere Redner setzen sich ein dafür, daß das Gesetz über die Laïzität nicht verändert, sondern rigoros durchgesetzt werde. Das ist ein Beitrag gegen die Vorstellungen des Innenministers Nicolas Sarkozy.
Wieder andere monieren das verkrustete System der Grandes Écoles, wie der École Nationale d´Administration (ENA). Wenn man an Wissenschaft denke, falle einem vor allem das Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) ein. Es sei veraltet, die Eliten allein aus diesen Kreisen zu bilden. Die Universitäten würden nicht ausreichend gefördert. Es mangele an Ingenieuren und Wissenschaftlern. Im argen liege die universitäre Ausbildung der Ausländer. In keinem anderen Land der Welt gebe es so viele ausländische Studenten, die ihr Studium nicht beendeten. Die Diskussionsrunden machen viele Vorschläge zur Verbesserung des Erziehungs- und Bildungssystems.
Premierminister Dominique de Villepin ist Gastredner beim Mittagessen. Seine Rede geht im allgemeinen Lärm der Hunderte im Speisesaal ziemlich unter. Viel bleibt nicht hängen. "Le Premier ministre Dominique de Villepin a donné le ton", er habe den Ton angegeben, steht unter einem Foto, im "Indépendant". Man wüßte gern, welchen Ton er angibt.
Leider ist der neue Außenminister Philippe Douste-Blazy, UMP und ex- UDF, der schnell bei der Hand ist, der PLO-Vertreterin Leila Shahid nachzusprechen, daß eine Intifada III drohe, nicht auf der Höhe der Diskussionen. Der Generalsekretär der UMP, nacheinander Bürgermeister von Lourdes und Toulouse hat abgesehen von einer Legislaturperiode als Europa-Abgeordneter, 1989 bis 1993, kaum politische Auslandserfahrung. Er ist bis 1989 Arzt in der Krankenhausverwaltung, von 1993 bis Mai 2005, mit Unterbrechung von 1995 bis 1997 als Kulturminister, zehn Jahre Gesundheitsminister, und so schöpft er in seinem Beitrag aus seinem Erfahrungsschatz als Arzt und ehemaliger Gesundheitsminister. Seine außenpolitischen Kenntnisse lassen zu Wünschen übrig. "Er hat das Rendez-vous nicht verpaßt", steht unter dem Foto des Multifunktionärs.
Einzug des Innenministers und Präsidenten der UMP
Dann aber, am Sonntag, so gegen 11:30 Uhr wird alles anders, eine neue Zeit bricht an. Es ertönt in voller Lautstärke eine Art Rap-Musik mit englischem oder amerikanischem Gesang, was ich leider nicht unterscheiden kann, und einzieht unter rauschendem nicht enden wollenden Beifall des überfüllten Saales der Präsident der UMP und Innenminister Nicolas Sarkozy mit Gefolge. Zielstrebig springt er aufs Podium, nimmt neben Jean-Louis Borloo, Jean-Paul Alduy, André Rossinot und anderen Vertretern des PR Platz, winkelt das rechte Bein à l´américaine an und legt es waagerecht über das linke. Dann steckt er seine Hände in die Hosentaschen und schaut neugierig in die Gegend. Jean-Louis Borloo hält eine Rede über etwas die Juniunruhen von Perpignan Betreffendes, an Jean-Paul Alduy gerichtet: "Ich weiß bis zu welchem Punkt du verwundet bist, bis zu welchem Punkt die Bürger von Perpignan verwundet sind. Das Mosaik von Perpignan ist dem Frankreichs ähnlich ...", aber alles versinkt in dem Auftritt des Nicolas Sarkozy.
"Perpignan: Sarkozy fait entendre sa différence", titelt L´Indépendant am Montag à la une. Perpignan: Sarkozy läßt seine Verschiedenheit hören. Vier Tage vor der Rede des Staatspräsidenten zum Nationalfeiertag gibt es 45 Minuten geballter Aufforderung an die Franzosen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, mit sich ins Gericht zu gehen: "Ich mache mir die Freude zu sagen, was ich denke!" Frankreich schlafe vor Konformismus ein. Es folgt unter begeistertem Beifall des Saales sein kurzer Hinweis, daß er kein Absolvent der ENA sei. Dann folgt Schlag auf Schlag: Wenn der Front National, der PS, der PCF republikanisch wären, dann hätten wir nicht die Situation gehabt, im April 2002". Recht hat er; denn da hat sich die Linke durch ihre Zersplitterung in lauter eitle Kleinfürsten selbst ausmanövriert. "Das erste Problem des politischen Lebens ist die fundamentale Langeweile, die es durch seine schmalzigen Reden hervorruft. Wacht auf, beendet den Konformismus!"
"Die Enttäuschung über die Olympischen Spiele muß uns dahin bringen, uns Fragen zu stellen über die Art, wie wir die Bewerbungsunterlagen präsentiert haben", sagt er vier Tage, nach dem Jacques Chirac in Singapur seinen erfolglosen Auftritt hatte. Entgegen den Ansichten des Staatspräsidenten, der das englische Modell des Liberalismus ablehnt, ist Nicolas Sarkozy des Lobes voll darüber, über Großbritannien, das es von Margret Thatcher bis Tony Blair verstanden habe, sich zu modernisieren, in dem es seine Werte radikal in Frage gestellt und Tabus überwunden habe. "In den 70er Jahren war es ein Land, das am Ende war, das nicht mehr zählte auf der internationalen Szene. Wer hätte sagen können, daß dreißig Jahre später Großbritannien ein Leitstern in der Organisation der Welt würde?"
"Thatcher und Blair", die Helden des Nicolas Sarkozy, titelt die regierungsnahe Libération. Es gebe nahezu kein politisches Thema, bei dem er nicht der "orthodoxie chiraquienne", der Orthodoxie des Jacques Chirac und des Dominique de Villepin widerspreche, ob es sich um "positive Diskriminierung", gezielte Immigration, die Anpassung des Gesetzes von 1905 oder ein Plädoyer für das britische System gegen das französische handele. (11)
Was die "gezielte Immigration" angeht, so wiederholt er das am 11. Juli in Marseille: "Frankreich muß sich die Immigranten aussuchen, die es ´benötigt´, und daß er gedenke, die Immigrationspolitik ´von Grund auf zu ändern´. Ein kühnes Unterfangen, da jetzt schon fünf Millionen Muslime im Lande wohnen, die meisten von ihnen mit französischer Staatsbürgerschaft. Was gibt´s da noch auszusuchen? (12)
"Ich kann mich nicht damit zufrieden geben zu sehen, wie Frankreich so viele enttäuschende Ergebnisse aufhäuft, einschließlich die Olympischen Spiele betreffend, ohne daß sich jemals jemand die Frage stellt, ob nicht wir zufällig unrecht hatten und die Welt recht."
Nicht die Wähler, die gegen die Europäische Verfassung gestimmt hätten, wären im Unrecht, sondern die Regierung, "wir haben sie enttäuscht." Er fordert auf, ausgetretene Pfade zu verlassen, und so geht die Rede weiter, klar, bestimmt und eindringlich, über 45 Minuten, gegen Immobilismus, gegen veraltete Ideen von vor fünzig Jahren. Sie hätten hundertmal zu Mißerfolg geführt, aber: "Was die anderen hingekriegt haben, das können auch wir schaffen."
Über seine Forderung, Richter zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie Fehlurteile verkünden und Fehlentscheidungen treffen, sagt er, wohl mit einer maliziösen Anspielung auf die juristischen Verfahren, die Jacques Chirac erwarten, wenn er seine Immunität verloren hat: " Die Fragen der Justiz, ich verfolge sie sehr genau, auch wenn bislang die Justiz mich noch nie sehr genau verfolgt hat." Le Monde registriert Lachen im Saale, was stimmt; ich habe es selbst gehört: es ertönt lautes Lachen. (13)
Nicolas Sarkozy verläßt den Ort umgehend und fliegt nach Paris oder direkt nach Marseille, wo er zu Vertretern der Konsular- und Präfektoralverwaltungen über die "Wahl benötigter Immigranten" spricht. Begeistert ziehen derweil die Teilnehmer der Sommeruniversität in den siebenten Stock des Perpignaner Kongreßzentrums zum Buffet Lunch und tun sich an den Köstlichkeiten gütlich. Die Rede des UMP-Präsidenten und auch die Statistiken über die Performance Frankreichs verderben ihnen nicht den Appetit. Die letzten statistischen Daten sind am 17. Juni 2005 erschienen und längst vergessen. Auch die Überlegungen über den Euro als politische Währung und den Dollar als nicht-politische Währung kann man bei einem guten Glase Rosé du Roussillon außen vor lassen, und wegen 1000 Milliarden Euro Staatsschulden muß man nicht unbedingt auswandern. Pascal schreibt am 1. Juli auf der "liberalen Seite":
"Celà viendra plus vite qu´on ne le pense. La France est toujours habile à tricher et à masquer la réalité. La dette n´est pas de 1100 milliards, mais de 2040 milliards ( plus de 130 % du PIB )!!! La France est un des seuls pays à ne pas provisionner les retraites des fonctionnaires (estimées à 940 milliards, avec une revalorisation infèrieure à l´inflation réelle ), contrairement, par exemple, à l´Italie, qui bien que lourdement endettée et moquée, a le mérite d´annoncer des chiffres réels. Par comparaison, le déficit de l´Argentine avant l´intervention du FMI était une plaisanterie. Les états membres vertueux de l´euro, a qui nous faisons supporter actuellement nos écarts de déficit, ne nous soutiendrons sûrement plus trés longtemps."
Das kommt schneller, als man denkt. Frankreich ist immer geschickt genug, falsch zu spielen und die Realität zu verheimlichen. Die Schulden betragen nicht 1100 Milliarden, sondern 2040 Milliarden (mehr als 130 Prozent des BIP)!!! Frankreich ist eines der einzigartigen Länder, die Pensionen der Beamten nicht gedeckt haben (auf 940 Milliarden geschätzt, mit einer Aufwertung unterhalb der reellen Inflation), im Gegensatz zum Beispiel zu Italien, das, obgleich schwer verschuldet und gehänselt, das Verdienst hat, reale Zahlen anzugeben. Zum Vergleich: das Defizit von Argentinien vorm Eingreifen des Internationalen Währungsfonds war dagegen ein Witz. Die tugendhaften Mitglieder der Euro-Staaten, die wir gegenwärtig unsere Defizitverstöße stützen lassen, werden uns sicherlich nicht mehr lange helfen." (14)
Ein Sommernachtstraum ...
12. Juli 2005
Quellen
(3) Fabius-DSK: de frères jumeaux à frères ennemis. Par Didier HASSOUX.
Libération, 11 juillet 2005
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310398
Libération, 11 juillet 2005
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310398
(4) Fabius entre Peillon et Montebourg. Par Didier HASSOUX, Libération, 9 juillet 2005
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310138
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310138
(5) Bertrand Delanoë s´en prend à Blair et Coe. Le Figaro avec AFP, 11 juillet 2005
http://www.lefigaro.fr/jo2012/20050711.FIG0360.html
http://www.lefigaro.fr/jo2012/20050711.FIG0360.html
A Paris, la droite rêve de mettre Delanoë KO grâce aux JO. Par Thomas Lebegue, Libération, 11 juillet 2005
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310402
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310402
(6) JO 2012 : Paris 2012 devance-t-il vraiment Londres 2012 ?,
Media-Ratings, Mis en ligne le 5 juillet 2005
http://www.m-r.fr/actualite.php?id=1126
Media-Ratings, Mis en ligne le 5 juillet 2005
http://www.m-r.fr/actualite.php?id=1126
(7) Oops! She (Florence Aubenas) Did it Again ..., by John Rosenthal,
Transatlantic Intelligencer, June 21, 2005
http://trans-int.blogspot.com/2005/06/oops-she-florence-aube nas-did-it-again.html
Transatlantic Intelligencer, June 21, 2005
http://trans-int.blogspot.com/2005/06/oops-she-florence-aube nas-did-it-again.html
Frankreich und der irakische Widerstand - ein Theater ohne Ende? - (Ergänzung, vom 22. Juni 2005). Von Gudrun Eussner
http://www.eussner.net/artikel_2005-06-17_23-35-39.html
http://www.eussner.net/artikel_2005-06-17_23-35-39.html
Serge Berstein et Marcel Ruby: Un siècle de radicalisme.
Septentrion Press Universitaires, Villeneuve d´Ascq 2004
http://www.partiradical.net/pages/nous-connaitre/histoire3.a sp
Septentrion Press Universitaires, Villeneuve d´Ascq 2004
http://www.partiradical.net/pages/nous-connaitre/histoire3.a sp
(9) Les anciens présidents du parti de 1901 à 2003. La Newsletter du Parti Radical
http://www.partiradical.net/pages/nous-connaitre/bureau.asp# 2
http://www.partiradical.net/pages/nous-connaitre/bureau.asp# 2
(10) Les événements de Perpignan en toile de fond de l´université du PR. Par Martial Mehr,
L´Indépendant, 10 juillet 2005, p. 5
L´Indépendant, 10 juillet 2005, p. 5
(11) Thatcher et Blair, les héros de Sarkozy. Par Alain Auffray, Libération, 11 juillet 2005
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310400
http://www.liberation.fr/page.php?Article=310400
(12) Sarkozy: la france doit choisir les immigrés dont elle a "besoin".
Yahoo Actualités, lundi 11 juillet 2005
http://fr.news.yahoo.com/050711/202/4hy8e.html
Yahoo Actualités, lundi 11 juillet 2005
http://fr.news.yahoo.com/050711/202/4hy8e.html
(13) Nicolas Sarkozy appelle la France à faire son "examen critique".
Par Jean-Baptiste de Montvalon, Le Monde, 11 juillet 2005
http://www.lemonde.fr/web/article/0,1-0,36-671482,0.html
Par Jean-Baptiste de Montvalon, Le Monde, 11 juillet 2005
http://www.lemonde.fr/web/article/0,1-0,36-671482,0.html
(14) Les causes de l´endettement public croissant. Attention aux imposteurs et aux impostures.
Par Georges Lane. La Page libérale, 25 juin 2005
http://www.pageliberale.org/?p=1372
Par Georges Lane. La Page libérale, 25 juin 2005
http://www.pageliberale.org/?p=1372
Posté par: pascal le Vendredi 01 Juillet 2005 à 10:42:02