Dokumentation, vom 24. November 2010. Neu aufgelegt zum 150. Jahrestag!
In Perpignan trifft Bernhard Krauskopf, 1969, auf eine aus Algerien geflohene jüdische Familie, sie gehört zu den nach der Unabhängigkeit des Landes vor allem nach Frankreich geflohenen 150 000 Juden, die keine algerische Staatsbürgerschaft erhalten hatten. Der Vollständigkeit halber wird ergänzt, daß, am 24. Oktober 1870, durch das Dekret Crémieux, nur Algeriens Juden die französische Staatsbürgerschaft erhielten, nicht aber die Muslime des Landes.
Das Jahr 1830 hat den
Beginn der Eroberung Algeriens durch die französischen Truppen und den Einbruch
Frankreichs in das Leben des algerischen Judaismus gekennzeichnet, der sich
bald direkt auf die Geschichte dieser Nation aufgepfropft fand. Umgehend
folgten dieser Aufpfropfung Erscheinungen des Abstoßens; aber wenn sie auch die
fast vollständige Trennung der Juden von der früheren islamisch-osmanischen
Umwelt brachte, führte sie nicht zu ihrer klaren Assimilation an die
französische Wesenheit. Die Identität des algerischen Judaismus besteht aus
drei vorherrschenden Elementen - jüdisch, algerisch und französisch - die, weit
entfernt, einander auszuschließen oder sich zu widersprechen, trotz in jedem
einzelnen zu erkennender Lückenhaftigkeit oder Unzulänglichkeit in eine
Bewegung der gegenseitigen Wertschätzung einbezogen worden sind. (1)
Die Landung des
französischen Expeditionskorps am Strand von Sidi Ferruch begründete nicht den
allerersten Kontakt der Juden Algeriens mit Frankreich. Die Oberhäupter der
wohlhabendsten gesellschaftlichen Schicht dieser nordafrikanischen Gemeinde
hatten bereits feste Beziehungen mit ihm aufgenommen, sei es, daß es sich um
die Lieferung von Weizen (2) oder anderer Güter (3) [aus Algerien nach
Frankreich! G.E.] handelte, sei es, daß jüdische Händler als Vermittler
wirkten, um die Freilassung von durch maghrebinische Piraten gefangene und der
Versklavung bestimmte französische Staatsbürger zu erreichen. (4) Von der
Zeit schließlich, die der Eroberung vorausging, ist bekannt, daß die führenden
Persönlichkeiten der "jüdischen Nation", wie man in der
Diplomatensprache sagte, sich in zwei gegensätzliche Lager aufteilten, auf
Grund persönlicher Rivalitäten, aber auch, weil das eine die britische
Ansiedlung im mittleren Teil Nordafrikas favorisierte, sich das andere aber
zugunsten der französischen Intervention einsetzte, die dann auch stattfand.
Die Juden hofften
damals, von der türkischen Herrschaft befreit zu werden, unter der sie gemäß
dem Ausspruch eines zeitgenössischen Rabbis "in der Vergangenheit
gedemütigt, in der Gegenwart in Angst und Schrecken versetzt, für die Zukunft
beunruhigt" lebten. Aber wenn sie damals die Franzosen willkommen
hießen, während sie beispielsweise gegen eine spanische Eroberung waren, dann
deshalb, weil Frankreich sein Ruf und vor allem seine revolutionäre Losung von Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit vorausging, die nichts anderes konnte, als zur
Zustimmung einer minoritären Bevölkerung führen, die Zielscheibe systematischer
Demütigungen und von Pogromen war. (5)
Die jüdische
Körperschaft äußerte auch schnell den Wunsch, in die französische Nation
eingegliedert zu werden. Dieser Wunsch ist von allen Regierungen, die einander
bis 1870 folgten, positiv aufgenommen worden. Weil die Juden im Hinblick auf
den Abschluß der Eroberung und der Befriedung des Landes Verbündete und
Vermittler waren, deren Integration darüber hinaus vereinfacht wurde durch die
Vertragsannahme, mit der sie ihr Einverständnis erklärten, die rabbinischen
Gesetze aufzugeben, die bis dahin ihr Familienleben geregelt hatten.
Verschiedene Texte haben so eine Entwicklung abgesteckt, die in das Dekret vom
24. Oktober 1870 mündete, das Dekret Crémieux genannt wurde nach dem Namen
seines Hauptinitiators und Unterzeichners, dem tatsächlichen Autor, er selbst
Jude, der politischen Förderung des algerischen Judaismus. (6)
Man hat es erwähnt,
diese Aufpfropfung wurde unmittelbar gefolgt von Versuchen des Abstoßens, und
die politische Zugehörigkeit der Juden Algeriens wurde eine zerbrechliche,
bekämpft durch Antisemiten beider Ufer des Mittelmeeres und unablässig von
ihnen zurückerobert.
Algerien. Der 100.
Jahrestag des Dekrets Crémieux. Dokumentation
Il y a 40 ans dans
L'Arche. Le 100e anniversaire du décret Crémieux. Par Raphaël Draï,
L'Arche n° 164, novembre 1970. In: L'Arche 630-631, novembre-décembre 2010, p. 8
Übersetzung: Gudrun
Eussner, 24. November 2010
Quellen, Ergänzungen,
Hintergrundinformationen
(2) Die drei Länder des
Maghreb (Marokko, Algerien, Tunesien) bilden den ersten Bestimmungsort der
französischen Weizen außerhalb Europas. In Algerien ist der französische Weizen
heute gut bekannt, er entspricht den Anforderungen des Marktes, was macht, daß
bei vergleichbaren Qualitäten und Preisen der französische Weizen bevorzugt
wird.
Céréales.
L'agroalimentaire français en Algérie,
(3) Was
die wichtigsten Lebensmittel angeht, haben die Importe im Juli 2009 eine Höhe
von 297 Millionen Dollar erreicht gegen 649 Millionen Dollar im Juli 2008, was
eine Verminderung von 54,24% bedeutet. ... Mit dem Inkrafttreten der Maßnahmen
im Rahmen des Komplementären Finanzgesetzes LFC 2009 besteht kein Zweifel, daß
diese Tendenz der Verminderung unserer Importe fortfahren wird, sich weiter zu
verstärken, von daher die Frage: Ist unser Produktionsapparat in der Lage, auf
die Nachfrage des Konsummarktes zu antworten?
Algérie Economie : La
LFC 2009 frein des importations. Par Saïd Smati,
(4) Die
30 000 Piraten des Barberousse lassen sich während des gesamten Winters
1543/1544 in Toulon nieder, die Kathedrale ist in eine Moschee umgewandelt,
aber trotzdem sieht man sie nicht für den König Franreichs [François I] kämpfen.
Es endet damit, daß er ein Lösegeld zahlen muß für ihren Abzug.
Alger, principal nid de
pirates barbaresques.
Warum entsendet der französische König François I im Jahre 1535 einen
Botschafter an die Hohe Pforte und schließt im folgenden Jahr einen politischen
und wirtschaftlichen Vertrag mit Sultan Süleiman Kanuni, genannt der Prächtige?
Der Vertrag firmiert bei den Franzosen unter dem Begriff Convention
commerciale, Wirtschaftsvereinbarung, bei den Türken aber unter dem
Dhimmi-Begriff Kapitülasyonlar, Kapitulation, Fremdenprivileg. Von da an
unterstützt die türkische Flotte die Franzosen in ihren Aktionen gegen die
Italiener, die mit den Franzosen im Streit um Mailand liegen. Muslime gehen
gemeinsam mit Christen gegen Christen vor.
Frankreich bekommt schon zu der Zeit nicht nur einen Eindruck davon, was im Islam Dhimmi bedeutet, sondern auch davon, was dann in unserer Zeit, vor allem im palästinensisch-israelischen Konflikt, unter Hudna zu verstehen sein wird. Die Franzosen wollen einen Vertrag unter Gleichberechtigten. Das lehnt Sultan Süleiman ab. Die Franzosen wollen einen unbefristeten Vertrag, aber gemäß den türkischen Gesetzen muß jedes Privileg mit jedem Sultan neu vereinbart werden. Es heißt Ahidnameh, Zusagebrief.
Kanuni Sultan Suleyman. Soliman I (1520 - 1566), Osmanli 700, Ottoman Web Site
Die Weigerung, einen Krieg Krieg zu nennen. 14. Juni 2006 [nicht mehr online]
(5) Anfang des 8. Jahrhunderts beginnt die Islamisierung Algeriens, und mit
der türkischen Herrschaft, ab 1516 beginnt für die Juden der Dhimmi-Status. Er
dauert bis zur Eroberung durch die Franzosen, 1830. Zunächst erhalten die Juden
dadurch volle Freiheit, die aber auf Grund antisemitischer Tendenzen
Frankreichs unter Louis Philippe I, 1840 eingeschränkt wird.
Des juifs d´Algérie. Histoire, zlabia.com
Les juifs d´Algérie - extrait de d´une rive à l´autre - la guerre
d´Algérie, de la mémoire à l´histoire de Gilles Manceron et Hassan Remaoun - édSyros
Die Entstehung des arabischen Antisemitismus und die Vertreibung der Juden
aus den arabischen Staaten. Von Gudrun Eussner, HaGalil, 14. Oktober 2003
(6) Adolphe Crémieux (1796 - 1880). Kotte Autographs
Isaac Adolphe Crémieux, Jewish Virtual Library
Le décret Crémieux francise les juifs d´Algérie. Herodote.net. Le Média de l'Histoire
Statut des juifs: Pétain a durci le texte. Par AFP, Le Figaro, 3 octobre2010
7 Novembre 1870 - Le décret Crémieux, abrogé par Pétain en 1940,
Giraud en 1942 le réabroge, de Gaulle attend 6 mois pour le rétablir ........ .
ASCHKEL, 7 novembre 2010
Giraud en 1942 le réabroge, de Gaulle attend 6 mois pour le rétablir ........ .
ASCHKEL, 7 novembre 2010