Dokumentation vom 20. Mai 2009
Wenn Bücher und Themen
islamischer, orientalischer und orientalistischer Literatur einem breiteren
Publikum nahe gebracht werden, dann ist das vorbehaltlos zu begrüssen.1 Ein mögliches Urteil
darüber wird sich, wenn überhaupt nötig und sachdienlich, auf das wie, nicht
jedoch auf das dass beziehen müssen.
Hellmut Ritters Meer
der Seele darf durchaus als epochales Werk deutschsprachiger
orientalistischer Literatur des 20. Jh.s bezeichnet werden.2 Merkwürdig quer dazu
steht die geringe Rezeption des Buches, selbst im deutschen Sprachraum, ganz
abgesehen vom ausserdeutschen. Die vor einigen Jahren erschienene englische
Übersetzung3 mag hierin etwas
Abhilfe schaffen.4
1 Das gilt
selbstverständlich auch für die Veröffentlichungen Annemarie Schimmels! Zu
anderen Aspekten ihres Wirkens siehe Verf.: “Von des Chisers Händeln und
schmutzigen Tricks”, Der Islam 81 (2001), 96-114, und id.: Neue
kritische Gänge. Zu Stand und Aufgaben der
Sufikforschung (Utrecht 2005), 1.
Kapitel (im folgenden: NkG).
2 Dazu Lawrence Conrad, Der
Islam 82 (2005), 373 (Besprechung von The Ocean of the Soul).
3 Hellmut Ritter, The
Ocean of the Soul. Translated by John O’Kane, with Editorial Assistance of
Bernd Radtke. Leiden 2003
4 Dazu auch Conrad,
a.a.o. 375.
2 BERND RADTKE
Daher ist das jüngst veröffentlichte
Buch von Navid Kermani, Der Schrecken Gottes. Attar, Hiob und die
metaphysische Revolte warm zu begrüssen.5 Es wird im folgenden als Schrecken zitiert.
Schon der Titel, der den persischen Dichter 'Attar und den biblischen Hiob
nennt, macht es für den Leser von Meer der Seele deutlich, dass es darin
um eines der Themen von Meer der Seele gehen wird, nämlich um das hadern
mit Gott, weiter die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, um die Theodizee.
So ist es in der Tat.
Kermani (im folgenden K.) gliedert seine Arbeit in fünf Kapitel (s.
Inhaltsverzeichnis 7-8): 1. Hiobs Frage (10-50); 2. Das Buch des Leidens
(52-103): 3. Rechtfertigung und Schrecken Gottes (106-148); 4. Der Aufstand
gegen Gott (150-217); 5. Geschichte einer Gegen-Theologie (220-282); dann ein
Anhang mit Anmerkungen, Bibliografie, Indices etc.
Wir wollen uns
vornehmlich auf 'Attar konzentrieren. Als Textgrundlage dient K. das Mußibat-nama
'Attars. Er nennt es Buch der Leiden, Ritter hatte im Meer der
Seele (im folgenden Meer) den Titel mit Buch der Plage wiedergegeben
(Meer 2),
5 München 2005. —
Besprechungen in deutschen, nichtwissenschaftlichen, Media, sind geradezu
überschwenglich. Dazu gehören: Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Herder
Korrespondenz, Deutschlandfunk, Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel,
Literaturen, Chrismon, Kölner Illustrierte. Ich verdanke den Hinweis auf
diese Publikationen Hans de Bruijn (Leiden).
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 3
was mir besser zu sein
scheint. Eine Inhaltsangabe gibt Ritter in Meer 18-30. Die anderen Epen
Fariduddin 'Attars werden von K. nur sporadisch erwähnt.
Zuerst muss ich
zugeben, dass mich nicht so sehr der Inhalt des Buches interessiert hat,
sondern die Arbeitsweise K.s. Um zu sehen, wie sich sein Buch zum Meer der
Seele stellt, habe ich vor allem die Übersetzungen, die K. aus dem Mußibat-nama
bringt, betrachtet. Ich gliederte die Untersuchung in:
(a) Angabe der Stelle
bei K. und im Mußibat-nama. Er zitiert, wie Ritter (im folgenden R.),
Kapitel und Unterkapitel, also X/X, fügt jedoch die Seitenzahl hinzu, die sich
auf die Edition von N. Fisal, Teheran 1338/1959, bezieht. (b) Der persische
Text in Umschrift. (c) K.s Übersetzung. (d) Wenn vorhanden, Ritters
Übersetzung. (e) Gegebenenfalls meine Übersetzung. (f) Wenn nötig, ein
Kommentar zu den Übersetzungen oder zu Inhaltlichem.6
Das Ergebnis meiner
Untersuchung lautet: Fast das gesamte Material aus dem Mußibat-nama und
anderer Literatur, das K. für seine Darstellung verwendet, findet sich in
Ritters Meer der Seele. Das wird jedoch in keinem Fall angegeben.
K.s Übersetzungen folgen fast immer dem Ritterschen Wortlaut, manchmal gibt es
sogar wörtliche Entsprechungen. K. bringt zudem fast gar nichts, was über die
Texte von Meer der Seele hinausgeht. Zugegeben: K. hatte die persischen
Texte selbst vor Augen, denn er zitiert zumeist korrekt die Seitenzahlen der
6 Eine ausführliche
Darstellung wird man in der ZDMG finden.
4 BERND RADTKE
neueren Textedition,
die Ritter noch nicht benutzen konnte. Ich möchte vermuten, dass K. sich am
Text Ritters orientiert und dann die Stellen im Mußibat-nama aufgesucht
hat. Ritters Zitierweise macht das zu einem Kinderspiel, wie ich selbst
feststellen konnte. — Auch alle andere arabische und persische Literatur wird
aufgrund von Sekundärliteratur zitiert, suggeriert wird jedoch die Lektüre der
Quellen selbst.
Übersetzt K. Texte aus
dem Mußibat-nama, die sich nicht im Meer der Seele finden, bzw.
von mir darin nicht gefunden werden konnten, so ist die Übersetzung fast immer
ungeschickt, oft fraglich, an vielen Stellen auch unrichtig.
Das Urteil über diese
Arbeitsweise sei dem Leser überlassen!
Wir wollen einige
Einzelheiten des Inhalts kommentieren. S. 30 Im arabischen Original lautet der
berühmte Satz Ghazzalıs:Laysa fi 'l-imkan abda' mimma kan: ["Nothing
possible is more wondrous than what is."]; übersetzt bei Ormsby, Theodicy 397 und Gramlich, Stufen8 549 f./E 73.
Weder Ormsbys noch
Gramlichs Übersetzung werden von K. genannt, obwohl er beide Bücher in seiner
Bibliografie anführt. — S. 32 Wie an vielen anderen Stellen ergeht sich K. hier
in einem extensiven name-dropping, so treten Stendhal, Nietzsche und
Büchner auf wenigen Zeilen auf. Weitere Beispiele: 56 Pascal, Nietzsche,
Schopenhauer; 71 Kafka, Pessoa, Adorno,
7 Eric Ormsby, Theodicy
in Islamic Thought. Princeton 1984.
8 Richard Gramlich, Muhammad
al Ghazzalis Lehre von den Stufen der Gottesliebe. Wiesbaden 1983.
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 5
Benjamin, Horkheimer,
Hedayat; 72 Adorno, Mahler, Beethoven, Mohammed; 97 Hesiod, Theognis, Herodot,
Euripides, Sokrates, Seneca, Shakespeare, Voltaire, Byron, dazu Altes und Neues
Testament, Chayyam, Mafiarri, Ibn Abi d-Dunya; 98 Mohammed, Gryphius,
Nietzsche, Schopenhauer, Heine, Hölderlin, Bahnsen,9 Büchner, Cioran, Freud;
109 Epikur, Bayle, Hume, de Sade, Ghazzali, Mafiarri; 114 Maimonides, Hermann
Cohen; 115 Augustin, Leibniz, Kant; 122 Schelling, Baudelaire, Schopenhauer,
Nietzsche, Zarathustra, Mani; 123 Platon, Plotin, Marcion, Augustin, O.
Marquard; 164 f. Mechthild von Magdeburg, Eckhart, Kierkegaard, Kant. — Ist
alles das verarbeitet und “verdaut”? fragt man sich etwas erstaunt. — S. 33 Ibn
ar-Rawandi, wird von K. Atheist genannt. Das war er nicht, sondern nur,
zumindest in den Augen seiner Gegner, ein “Ketzer”. In der Anm. 26 vermisst man
einen Hinweis auf van Essens grundlegende Darstellung in ThG10 4, 295 ff., obwohl das
Buch in der Bibliografie
genannt wird. S. 39 Zu Sana'i gibt es das grundlegende Buch von de Bruijn, Of
Piety and Poetry11, zudem war Sana'i kaum
“der erste bleibende Lyriker der neugeborenen neupersischen Literatur”. Das
war, wenn man solche Bezeichnungen überhaupt verwenden will, Rudaki, der
9 Gest. 1881. Ein heute
kaum noch bekannter Anhänger Schopenhauers. Was soll dieser Name hier?
10 Josef van Ess, Theologie
und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. 1-6. Berlin
1991-1997.
11 J.T.P de Bruijn, Of
Piety and Poetry. Leiden 1983.
6 BERND RADTKE
zweihundert Jahre vor
Sana'i lebte (gest. ca. 940). Die Bezeichnung “Sandscharen-Dynastie” ist mir
nicht geläufig. Zum Todesdatum Fariduddin 'Attars vgl. auch Ocean of the
Soul 832. Diese englische Übersetzung von Meer, obwohl bereits im
Frühjahr 2003 erschienen, ist von K. nicht zur Kenntnis genommen worden.
S. 40 Da es Orden im 6./12. Jh. nicht gab, konnte Fariduddin 'Attar kaum
Mitglied eines solchen gewesen sein, K.s Frage ist also unsinnig. Was bedeutet
“erleuchtet”? S. 41 Über Abu Safiid gibt es das grundlegende Buch von Fritz
Meier12, das K. nicht nennt.
Abu Safiid gehört nur beschränkt nach Naysabur. Dazu Meier, Abu Safiid 52
ff.; 422 ff. S. 45 Zu den Übersetzungen der Titel der Epen Fariduddin 'Attars: Sar
al-qalb ist kaum Die Erklärung des Herzens (was soll das sein?),
sondern nach dem koranischen sar˛ aß-ßadr (Öffnung der Brust) gebildet. Ilahı-nama ist nicht Das Buch
Gottes, das ist bekanntlich der Koran, sondern, wie bei Ritter Gottesbuch.
Zur Übersetzung von Mußibat-nama siehe hier .
K.s Ausführungen zu den Formen der persischen Dichtung sind kaum zutreffend.
Weder ist das Ghazal die klassische Form des persischen Gedichts, noch ist
dieses durch den Vierzeiler charakterisiert. Zudem stammen die Formen der
persischen Dichtung aus dem arabischen. Das gilt auch für das mathnawi.
Dazu zuletzt auch Meier, Segenssprechung 1, 143 ff.13 S. 49 Hellmut Ritter
ist nicht vor
12 Fritz Meier, Abü
Safiid-i Abü l-Khair. Leiden 1976.
13 Fritz Meier, Bemerkungen
zur Mohammedverehrung. Teil II: Die tasliya in sufischen
Zusammenhängen. Leiden 2005.
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 7
den Nazis geflohen,
sondern befand sich schon Jahre vor 1933 in der Türkei.
Ich kann nicht finden,
dass, wie K. behauptet, das Mußibat-nama
im Meer der Seele “zwangsläufig” untergeht. Das zeigt schon
die sehr ausführliche Inhaltsangabe (Meer 18-30). Wenn K. dann weiter
schreibt, “Hellmut Ritter hat Attar im Kontext der islamischen
Geistesgeschichte vorgestellt. Zu entdecken bleibt, dass Attar nicht nur
zwischen Sana'i und Rumi, sondern ausserdem zwischen Sophokles (gest. ca. 404
v. Chr.) und Schopenhauer… steht, verwandt ist mit Abu Ala al-Ma'arri… und Omar
Chayyam, aber auch mit Büchner und Beckett”, dann finde ich das, gelinde
gesagt, etwas dreist. Um mit Ma'arri zu beginnen: Zum einen führt Ritter
Ma'arri durchaus an (u.a. Meer 161 f.), zum anderen übernimmt K. dieses
Zitat von Ritter, ohne es anzugeben. Weiter stellte Ritter Fariduddin 'Attar
durchaus in grössere, auch nichtislamische Zusammenhänge, wie dem aufmerksamen
Leser nicht entgehen wird.14
Wie schon
bei den fehlenden Angaben zu den Zitaten aus dem Meer der Seele wird man
auch hier von dem Gefühl beschlichen, dass K. sich auf Kosten Ritters zu
profilieren versucht.
S. 53 salik-i fikrat
ist kaum “Wanderer des Denkens”. Ritter (Meer 18) μbersetzt
gedanke der meditierenden seele als ein wanderer personifiziert. Ob es
sich bei dem mifira¹ Abu
14 Conrad, a.a.o. 374.
8 BERND RADTKE
Yazids um Seelenreisen
handelte, wäre überhaupt zu fragen.15
Ein prinzipielles
Problem sind, wie schon gesagt, K.s Vergleiche, so wird hier Fariduddin 'Attar
mit Pascal verglichen. Es müsste an jedem Beispiel geprüft werden, ob diese
Zusammenbringungen sinnvoll sind. Ich habe starke Zweifel. S. 54 K.: “In der
"Zunge des Zustandes" jedoch, in der mystischpoetischen Rede, werde
wahr, was in der normalen Rede Lüge sei”. Die Zunge des Zustandes ist
die berühmte zaban-i hal, bei Ritter (Meer 21) sprache des
zustandes. Was das eigentlich ist, scheint K. nicht deutlich zu sein, wie
auch seine Übersetzungen zeigen (hier ), kaum jedoch ist das mystisch-poetische
Rede, was ist zudem eine mystische Rede? S. 59 K.: … “dass die
mystische Erfahrung ihrer Natur nach den Kanon religiöser Anschauungen
durchbricht, sich sogar gegen diesen Kanon wenden kann…” Die erste Aussage
möchte ich entschieden bezweifeln, wofür ich die Schriften zur klassichen Sufik
als Zeuge anführen kann; dazu mein “Warum ist der Sufi orthodox”?16 Was ist zudem überhaupt
die Natur der mystischen Erfahrung? Auch die Notwendigkeit des Scheichs (pirs)
wird in der Sufik differenzierter gesehen als K. angibt; dazu Meier, Hurasan
und das Ende der klassischen Sufik”.17
15 Bernd Radtke, “The
Ascent to God and the Return from Him in Islamic Mysticism”, Journal of the
Ibn al-fiArabi Society (forthcoming).
16 Der Islam 71
(1994), 302-307.
17 Hurasan und das Ende
der klassischen Sufik”. Atti del convegno internazionale sul tema: La Persia
nel Medioevo
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 9
Das Hallaj
zugeschriebene ana l-haqq mit “Ich bin der Wahrhafte” wiederzugeben,
scheint mir anfechtbar, haqq ist wahr, Wahrheit, aber
nicht wahrhaftig. S. 63, 64, 65, 66: In “Die älteste islamische
Kosmografie” (s. 286 und Anm. 108)18 hatte ich darauf hingewiesen, dass das
Strukturgerüst des Mußibat-nama womöglich
auf eine Kosmografie zurückgeht, zumindest auf eine Erweiterung des ˛adı± a¸s-¸safðia. Davon bei K. nichts.
Literatur zum mi'rad ist gesammelt in Verfasser, Neue kritische Gänge
(NkG) 28; 41 f., erschienen im Sommer 2005. Aber schon vor NkG wusste
man sehr viel mehr darüber als K. angibt. Wo sind (S. 65) “die vielen
Ähnlichkeiten” zwischen der “Göttlichen Komödie” und dem Mußibat-nama?;
weiter zwischen Ma'arris Risalat al Ghufran und Dante? Wenn denn diese
Ähnlichkeiten bestehen, dann doch noch eher zwischen den Schriften Ibn
al-'Arabis und Dante (dazu NkG 122). S. 67 K.s Ausführungen über die
Technik der Rahmenerzählung in der persischen Literatur sind aus Ritter, Meer
2, übernommen, ohne dass das angegeben wird. S. 73 Welche Verhältnisse
werden von Ulrich Holbein “zurechtgerückt”? S. 79 Die Themen Armut, behördliche
Willkür, Herrscher sind sämtlich von Ritter übernommen, der ihnen
einzelne Kapitel widmet: Not, leid und bedrückung (3. Kapitel, 54 ff.), Die
weltmenschen (6. Kapitel, 89 ff.), Die (Roma, 31 marzo - 5 aprile 1970),
Accademia Nazionale dei Lincei. Rome 1971, 545-70/Bausteine 1, 131-56/Essays
189-218.
18 Der Islam 64
(1987) 279-288.
10 BERND RADTKE
machthaber (7. kapitel, 104 ff.).
Darüber kein Wort bei K. Auch das Verhältnis Fariduddin 'Attars zu den Hofdichtern
spricht Ritter an (Meer 156 f.), auch davon kein Wort bei K. S. 81 über
den angeblichen “grossen” Sufi 'Akkaf [?] ist nur wenig bekannt. S. 82
Ob Tassawuf [?]
mit religiöser Dogmatismus richtig übersetzt ist, möchte ich
bezweifeln. Eine nähere Untersuchung wäre notwendig. S. 83 Begriffe wie
“Mullahs” und “Iraner” sind in diesem Kontext Anachronismen. S. 87 Zum
“Humanismus” vgl. den Aufsatz von Marco Schöler.19 — S. 88 Zur Stellung
des 12. (christlichen) Jahrhunderts vgl. vor allem Curtius, Europäische
Literatur20, index, s.v. Renaissance
des 12. Jh.s. S. 93 Der Vergleich zwischen den Zuständen in Ostiran zur
Lebenszeit Fariduddin 'Attars und denen des Dreissigjährigen Krieges scheint
mir völlig verfehlt zu sein, das tertium comparationis sind allein die
Grausamkeiten. S. 97 Zur von K. aus Meer 132 zitierten Stelle steht eine
Verbesserung in Ocean 136. S. 106
Die Frage der Theodizee
ist durchaus nicht bis vor kurzem in westlicher Literatur übersehen und erst
durch Eric Ormsbys Buch Theodicy in Islamic Thought zum Bewusstsein
gebracht worden, wie K. behauptet, wobei nichts gegen die Arbeit Ormsbys gesagt
sei. Dazu auch van Ess, Vorwort Fehltritt21 5
19 “Zum Begriff des
“islamischen Humanismus””, ZDMG
151 (2001), 275-320.
20 Ernst Robert Curtius, Europäische
Literatur und
lateinisches Mittelalter. Bern 1954.
21 Josef van Ess, Der
Fehltritt des Gelehrten. Die “Pest von
Emmaus” und ihre
theologischen Nachspiele. Heidelberg 2001.
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 11
ff. S. 107 “Die
jüdische und die islamische Mystik innerhalb des arabisch geprägten Kulturraums
haben in ihren Strukturen… weit mehr gemein als die islamische Mystik mit der
islamischen Philosophie”. Warum sollte die islamische Mystik denn etwas mit der
Filosofie gemein haben? S. 108 Die Aussagen über Mutaziliten und Ashariten sind
anachronistisch. Ein Buch Nietzsches mit dem Titel Der Wille zur Macht gibt
es
bekanntlich nicht, bzw.
es war eine Fälschung seiner Schwester. S. 132 Zu Ibn ar-Rawandi hier .
S. 133 Was “iranische” Liebesmystik ist, weiss ich nicht. Gemeint ist
“persische” Liebesmystik; hier . Die erste
systematische Darstellung über istidrac steht, soweit ich weiss, bei
Hakim Tirmidi.22 S. 140 Lies Abu Dharr.
— S. 168 f. Alles aus Meer übernommen!
Der Bericht über Sifat
as-safwa steht in Meer 168; über Yunus Emre Meer 180. S. 171,
174 Hadern mit Gott: Ritters 10. Kapitel, nicht mitgeteilt! S. 175 mysterium
tremendum, mysterium fascinans: ¹amðl-¹alal-Problematik; dazu
Meier, Kubrâ23 80 f. S. 184 Das Thema
“Narren” verdankt K., ohne es mitzuteilen, Meer, 10. Kapitel. S. 193 Das
Ghazzali-Zitat aus Matthäus steht Meer 321, nicht von K. vermeldet. S.
196 Jesus und der tote Hund: übernommen aus Meer 241, nicht vermeldet;
wichtige Ergänzung Ocean 252. S. 255 Zu Ernst
22 Bernd Radtke, Drei
Schriften des Theosophen von Tirmidhi. Zweiter Teil: Übersetzung und
Kommentar. Bibliotheca Islamica 35 b. Beirut-Stuttgart 1996, 103 ff.
23 Fritz Meier, Die fawâ'ih al-gamâl fawâtih al-galâl des Nagmuddîn al-Kubrâ. Wiesbaden
1957.
12 BERND RADTKE
Blochs unmöglichem Buch
über Ibn Sina24 vgl. Radtke, Sa'na.25 Blochs Produkt
geistesgeschichtlichen Dilettantismus über Curtius und Auerbach zu stellen, ist
wahrlich “starker Tobak”.
***
Gewiss: Man kann einen
grossen Entwurf, geistreich geschrieben und voller vielleicht überraschender
Erkenntnisse, durch kleinliche, geistlose Auflistung von Fehlern und Versehen
“kaputtmachen”. Ohne Zweifel: Kermani kann glänzend formulieren und schreibt
keinen Unsinn. Auch sein
Ausgangspunkt
persönlicher Erlebnisse ist für mich akzeptabel, der Versuch, Fariduddin 'Attar
zu aktualisieren, zu begrüssen.
Gegen das Buch spricht
die Arbeitsweise, die ich nur als unsauber bezeichnen kann. Welche Entschuldigungen
man auch immer ersinnen mag, es ist das Vorgehen Kermanis, vieles, ja fast
alles Material aus dem Meer der Seele zu übernehmen, ohne das anzugeben,
nicht zu tolerieren. Eine kurze Notiz hätte ja genügt, aber man findet sie
leider nicht (vgl. z.B. s. 289).
Unangenehm auf mich
wirkt auch K.s Vielwisserei, die Anmassung, über alles urteilen und schreiben
zu können — Beispiele (s. 253 f.): das Urteil über Ernst R. Curtius und Ernst
Auerbach, das name-dropping, die geradezu hemmungslosen Vergleiche — ,
ohne wirklich, wie es scheint, solide Kenntnisse
24 Ernst Bloch, Avicenna
und die Aristotelische Linke.
Frankfurt 1963.
25 Bernd Radtke, “Die
mystischen schriften der Safına-i Tabrız”. In Vorbereitung.
WISSENSCHAFTLICHE
REDLICHKEIT 13
und Reflexion zu
besitzen. Hier fehlt wohl auch die erforderliche Selbstkritik. Schade! möchte
man bei dieser intellektuellen Kompetenz sagen.
Welche Sachkenntnis hat
eigentlich die Schreiber der hymnischen Besprechungen zu ihren Äusserungen
berechtigt?
Quellen
Bernd Radtke: Über wissenschaftliche Redlichkeit. Zeitschrift der DeutschenMorgenländischen Gesellschaft. Band 159, Heft 1, 2009,
Harrassowitz Verlag, S. 15-22 [Der obige Artikel ist nicht mehr online]
Bernd Radtke. Wann
haben wir eine echte wissenschaftliche Leistung vor uns? EJOS IX (2006), Nr.12, S. 1-49 [nicht mehr online]
Den Artikel hatte
ich sicherheitshalber in meine Datei kopiert, ohne daß ich umgehend die
wissenschaftliche Umschrift der arabischen und persischen Namen in von meinem
PC lesbare Schriftzeichen umgewandelt habe. Jetzt habe ich das rekonstruiert,
und es ist nicht in allen Fällen gelungen. An einigen Stellen habe ich [?]
gesetzt. Es mögen mir Fehler unterlaufen sein.
Eine Replik auf Bernd Radkes Vorwürfe. Von Navid Kermani, Köln, September2007
26.August 2007/16. Mai 2009
Navid Kermani. Bernd Radtke: Über wissenschaftliche Redlichkeit. 6. Dezember 2019
Navid Kermani auf meinem Blog
Navid Kermani. Bernd Radtke: Über wissenschaftliche Redlichkeit. 6. Dezember 2019
Navid Kermani auf meinem Blog
20. Mai 2009
„Wenn jemand sich der Propaganda des Islam in den Weg stellt und versucht, den Islam an seinem Vormarsch zu hindern, wird es notwendig, ihn zu zertrümmern und die Erde von seinem Schmutz zu reinigen, damit die Rechtleitung Allahs die Menschen erreicht und damit jeder Mensch in aller Sicherheit seine religiöse Freiheit genießt.“ (Tafsir Ruh al-Bayan, 236)
„Wenn jemand sich der Propaganda des Islam in den Weg stellt und versucht, den Islam an seinem Vormarsch zu hindern, wird es notwendig, ihn zu zertrümmern und die Erde von seinem Schmutz zu reinigen, damit die Rechtleitung Allahs die Menschen erreicht und damit jeder Mensch in aller Sicherheit seine religiöse Freiheit genießt.“ (Tafsir Ruh al-Bayan, 236)