Artikel vom 5. Mai 2010 [Links nicht aktualisiert!]
Seit der Korrespondent des Figaro Patrick Saint-Paul, früher Jerusalem, heuer Berlin, keine unbewiesenen und halbwahren Behauptungen mehr über den Hebräerstaat (Israel) und die schiitische Organisation (Hezbollah) verbreiten kann, ist nicht mehr viel mit ihm los. Selten liest man von ihm; denn so häufig ist´s ja nicht, daß Benjamin Netanyahu oder ein anderes seiner Haßobjekte die Berliner mit einem Besuch beehrt, und er wieder zur vollen Form auflaufen kann. (1)
Jetzt entdeckt er für seine Leser einen Imbiß am Bahnhof Eberswalder Straße, in der Berliner Schönhauser Allee, unter der dort überirdisch verlaufenden Untergrundbahn, den von Max Konnopke, dem Vater der heute 74-jährigen Besitzerin Waltraud Ziervogel, gegründeten Konnopke´s Imbiß, eine seit 80 Jahren bekannte und berühmte Würstchenbraterei. Er behauptet unter der Überschrift "Histoire du jour", also etwa DIE Geschichte des Tages, daß Vater Max Konnopke erst seit den 60er Jahren seine Würstchen über dem Feuer wendet, Currywurst mit Ketchup, und in Ermanglung der "Yankee"-Zutaten eigene Rezepte mit russischen Tomaten, ungarischem Paprika und sonstigen, geheimen Ingredienzien entwickelt habe.
Wo steht dieser Artikel? Er schafft es auf die Seite Eins, gleich unter Artikel über die Pleitestaaten Griechenland und Spanien, über das mißlungene Attentat am New Yorker Times Square und über die Forderung des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy nach der umgehenden Verabschiedung eines Gesetzes gegen die Burka. Der Figaro tut gut daran, die Peinlichkeit nicht jedem offen zu präsentieren, er verbannt die deutsche Delikatesse in den Teil für Abonennten. (2)
Während Patrick Saint-Paul zu Zeiten, da er Jerusalem unsicher macht, Israel diskreditierende Nachrichten schon bereit hält, wenn das Ereignis kaum stattgefunden hat, während er seine vorgefasste Meinung darüber umgehend den Figaro-Lesern auf den Frühstückstisch serviert, kürt er die Wurstbraterei mehr als zwei Wochen, nachdem der Streit geschlichtet ist, zur Geschichte des Tages und bereitet sie so auf, als wenn noch alles in der Schwebe wäre. Currywurst-Legende Konnopke zieht doch um, titelt derweil die Berliner Morgenpost, bereits am 29. April 2010.
Seit Monaten streiten Bezirk und Besitzer um einen neuen Standort für Konnopke´s Imbiss in Prenzlauer Berg. Wegen der Sanierung der Hochbahn der U2 soll die Aluminiumbude umziehen. Doch die 74-jährige Besitzerin weigert sich. Kunden stehen ihr bei. Mittlerweile bilden sich Schlangen auch aus Solidarität. Jetzt scheint eine Einigung möglich. (3)
Wie weit hinterm Mond man in Frankreich selbst bei angesehenen Blättern wie dem Figaro ist, wird deutlich, wenn man sieht, daß der in Berlin und London lebende Spiegel-Reporter Thomas Hüetlin bereits am 16. April 2010 für die amerikanische abcNews über das Fettfleisch und die triefenden "Pommes" berichtet: Berlins berühmtester Wurststand kämpft gegen sich ändernde Zeiten und Geschmack. Anders als in Berliner Morgenpost und Figaro darf man dem welterschütternden Kampf unabonniert zusehen. (4)
Der Tagesspiegel berichtet, am 29. April 2010, daß grundsätzlich Einigung erreicht sei in dem seit zwei Jahren währenden Streit mit dem Bezirksamt. Als Patrick Saint-Paul seinen neuen Job in Berlin antritt, ist der Streit schon im Gange. Der Korrespondent hält es nicht für angebracht, die Leser des Figaro darüber zu unterrichten, daß Waltraud Ziervogel für eine Neuansiedlung ihrer Bude, 30 Meter entfernt vom alten Standplatz, nicht nur 100 000 Euro Steuergelder vom tiefstverschuldeten Berlin abgreifen will, sondern daß sie eine Zwölfpunkte-Wunschliste vorlegt, die vom Bezirk Punkt für Punkt abgearbeitet wird, darunter eine neue, unterkellerte Imbissbude mit überdachtem Garten und Toiletten für Angestellte und Kunden. (5)
Wer sich ein Bild vom verschlafenen Patrick Saint-Paul machen möchte, der schaue in Tausende von Google-Ergebnissen zum Thema Konnopke. (6)
Der Korrespondent berichtet, wie Thomas Hüetlin bereits drei Wochen vor ihm, von der clientèle bobo, den Schicki-Mickis, unter ihnen Gerhard Schröder und Liza Minnelli, die begeisterte Wurstesser seien, ebenso wie ganze Busladungen von Touristen. Aber Currywürste, ob mit oder ohne Darm, sind so ungefähr das Gräßlichste, was mir einer an Nahrung zumuten könnte. Mit einer Gruppe von Freundinnen dorten angekommen, untern dröhnenden Zug der U-Bahn und zwischen die geräuschvoll teils über Kopfsteinpflaster in beiden Richtungen donnernden Autos geraten, haben einige von uns fluchtartig die Imbiß-Szenerie verlassen und sind im Filetstück verschwunden, zur Chefköchin Sarah Klausen. (7)
Ich freß´ ´n Besen mitm Stiel samt der Putzfrau, wenn Patrick Saint-Paul jemals in eine der fettriefenden weichen Fleischmassen, genannt Currywurst, gebissen und dabei noch ´ne Tüte Pommes runtergebracht hat. Dann doch lieber das wunderbare Shakshouka, ein Sephardi Favorite aus Feindesland, nicht wahr? (8)
5. Mai 2010
Quellen
[nicht mehr online]
http://www.eussner.net/artikel_2008-09-20_18-51-10.html
http://www.eussner.net/artikel_2008-09-20_18-51-10.html
(2) Menaces sur un monument dédié à la saucisse à Berlin. Par Patrick Saint-Paul,
Le Figaro, 5 mai 2010 (nur für Abonnenten)
http://tinyurl.com/ylrwnte
Le Figaro, 5 mai 2010 (nur für Abonnenten)
http://tinyurl.com/ylrwnte
(3) Currywurst-Legende Konnopke zieht doch um. Von Christine Eichelmann,
Berliner Morgenpost, 29. April 2010 (nur für Abonnenten)
http://tinyurl.com/37lak7c
Berliner Morgenpost, 29. April 2010 (nur für Abonnenten)
http://tinyurl.com/37lak7c
(4) Berlin´s Most Famous Sausage Stand Fights Changing Times and Tastes.
By Thomas Hüetlin, abcNews.com, April 16, 2010
http://tinyurl.com/39h5re5
By Thomas Hüetlin, abcNews.com, April 16, 2010
http://tinyurl.com/39h5re5
(5) Kult-Imbiß: Konnopke zieht 30 Meter weiter und will dafür 100 000 Euro.
Von Christoph Spangenberg, Tagesspiegel, 29. April 2010
http://tinyurl.com/35pyggu
Von Christoph Spangenberg, Tagesspiegel, 29. April 2010
http://tinyurl.com/35pyggu
Konnopke. Google.de 12 800 Ergebnisse
http://tinyurl.com/3x8r75u
http://tinyurl.com/3x8r75u
Shakshouka (Eggs in Tomato Sauce). Israel Ministry of Foreign Affairs, January 5, 1999
http://tinyurl.com/3567ug
http://tinyurl.com/3567ug
Israel einer Anfängerin [16]: Sabbat in Tel Aviv. 13. Januar 2008 [nicht mehr online]
http://www.eussner.net/artikel_2008-01-13_21-22-52.html
http://www.eussner.net/artikel_2008-01-13_21-22-52.html